Monatsarchiv für September 2012


100-Seiten-Bücher – Teil 38
Immanuel Kant: »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« (1785)

Berlin, 25. September 2012, 08:05 | von Josik

Als Ahnherr des Hundertseiterprojekts darf Arthur Schopenhauer gelten, heißt es doch wörtlichstens in seinem Buch »Über die Grund­lage der Moral« (übrigens dem besten philosophischen Werk, das jemals geschrieben wurde): »Dem Verständniß gegenwärtiger, die Kantische Ethik im tiefsten Grunde unterwühlenden Kritik wird es überaus förderlich seyn, wenn der Leser jene ›Grundlegung‹ Kants, auf die sie sich zunächst bezieht, zumal da diese nur 128 und XIV Seiten (bei Rosenkranz in Allem nur 100 Seiten) füllt, zuvor mit Aufmerksamkeit nochmals durchlesen will, um sich den Inhalt derselben wieder ganz zu vergegenwärtigen.«

Und genau diese Stelle nahm ich dann zum Anlass, die »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« mit Aufmerksamkeit nochmals durch­zulesen, um mir den Inhalt der Kantischen Ethik wieder ganz zu vergegenwärtigen. Kurioserweise liest sich Kants Büchlein aber in Teilen wie ein Werk aus Hugendubels Ratgeberliteratur-Regal, denn was soll man etwan von einer Stelle wie dieser halten: »Man kann […] nicht nach bestimmten Prinzipien handeln, um glücklich zu sein, son­dern nach empirischen Ratschlägen, z. B. der Diät, der Sparsamkeit, der Höflichkeit, der Zurückhaltung usw., von welchen die Erfahrung lehrt, daß sie das Wohlbefinden im Durchschnitt am meisten befördern.«

Wenn nun jemand ganz grundsätzlich fragte, ob hier dem Alleszermal­mer oder aber ob dessen Unterwühler beizustimmen sei, so müsste man auf folgende Stelle in jenem Dialog verweisen (hier zwischen 10’05“ und 10’15“ anzukucken), der vor ein paar Tagen zwischen dem derzeitigen Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart Philipp Hübl (dessen Bruder, ein glücklicher FAS-Abonnent, auf eine entsprechende Frage der FAS soeben das FAS-Feuilleton an erster Stelle seiner drei FAS-Lieblingsressorts nannte) einerseits und Stefan Raab andererseits statthatte. Raab: »Das Schöne an Philosophie ist: Philosophie ist nie richtig und nie falsch.« – Hübl: »Das stimmt nicht, sorry, nee.« – Raab: »Das stimmt nicht? Das ist aber meine Philosophie.«

Länge des Buches: ca. 176.000 Zeichen. – Ausgaben:

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. Herausgegeben von Karl Rosenkranz und Friedr. Wilh. Schubert. Achter Theil. Leipzig: Voss 1838. S. 1–100 (= 100 Text­seiten) (online)

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Herausgegeben von Karl Vorländer. Unveränderter Neudruck der 3. Auflage. Leipzig: Meiner 1947. S. 1–95 (= 95 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 37
Gottfried Keller: »Romeo und Julia auf dem Dorfe« (1856)

Oxford, 23. September 2012, 17:37 | von Baumanski

Gottfried Kellers Seldwyler Novellen gehören zweifelsfrei bis heute zum Besten, was die Deutschschweiz an Literatur hervorgebracht hat. Genauso natürlich der »Grüne Heinrich«, aber der hat halt in beiden Fassungen an die tausend Seiten, und erst neulich traf ich wieder jemanden, der weder die eine noch die andere Fassung zu Ende gelesen hatte!

Die Handlung von »Romeo und Julia auf dem Dorfe« ist im Titel eigentlich schon ganz gut zusammengefasst. Man könnte höchstens noch hinzufügen, dass sich die Bauern Manz und Marti, die Väter von Sali und Vrenchen, wegen eines kaum brauchbaren Ackers zerstreiten und ruinieren. Der eine Wink mit dem Shakespeare-Zaunpfahl war übrigens nicht genug für Keller, sondern er bringt noch weitere Anspielungen unter, etwa wenn die Liebenden den Flug der Lerchen beobachten und Vrenchen lacht wie eine Nachtigall.

Die leicht archaische Sprache wirkt dennoch äusserst lebendig, was sich unter anderem den bäurischen Flüchen (»beim ewigen Hagel« etc.) sowie einigen ansprechend beschriebenen Details verdankt: Einen »schlimmen weissen Halskragen« darf sich zum Beispiel jeder Leser seinem eigenen Modegeschmack entsprechend vorstellen. Schliesslich findet eine garstige Serviertochter, Sali sei »schön petschiert mit seiner jungen Gungeline«, woraufhin die Wirtin sie völlig zu Recht als »Essighafen« bezeichnet.

Länge des Buches: ca. 161.000 Zeichen. – Ausgaben:

Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe. Mit einem Kommentar und einem Nachwort von Klaus Jeziorkowski. Frankfurt/M.: Insel-Verlag 1984. S. 7–102 (= 96 Textseiten).

Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe. Novelle. Durchges. Ausg. Stuttgart: Reclam 2002.

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100-Seiten-Bücher – Teil 36
Alan Bennett: »Die souveräne Leserin« (2007)

Solingen, 22. September 2012, 10:13 | von Bonaventura

Mit diesem Büchlein hatte der auf Kurzprosa spezialisierte englische Erfolgsautor, Schauspieler und Regisseur im Jahr 2008 seinen Durchbruch in Deutschland. Der Originaltitel »The Uncommon Reader« ist eine ironische Anspielung auf Virginia Woolfs in England sehr bekannte Essaysammlungen »The Common Reader«, deren Titel wiederum auf eine Wendung Dr. Johnsons zurückgehen.

Erzählt wird die Geschichte, wie Elizabeth II., Queen of England, eines Tages bei der Suche nach ihren Corgis auf der Rückseite von Buckingham Palace den Bücherbus der öffentlichen Bibliothek vorfindet, der dort die Bediensteten des Palastes versorgt. Volksnah, wie sie ist, betritt sie den Bus, trifft dort auf einen ihrer Küchenjungen und entleiht, weil sie sich an den Namen der Autorin erinnert, die sie in den Adelsstand erhoben hat, ein Buch von Ivy Compton-Burnett.

Das ist der Beginn ihrer Karriere als souveräne Leserin, die sich immer weniger für ihre repräsentativen Pflichten und dafür zunehmend für Bücher interessiert. Der Küchenjunge Hutchings wird königlicher Literaturreferent und die ganze Geschichte gipfelt in einer hübschen Pointe, die hier natürlich nicht verraten werden soll.

Was das Buch reizvoll macht, ist nicht nur das ironische und dennoch genaue Porträt der in sich abgeschlossenen Welt, in der die Königin mit ihrem Ehemann lebt, sondern auch, dass es ein Buch eines Lesers für Leser ist, das das Lesen als den Königsweg zur Freiheit weist.

Länge des Buches: ca. 175.000 Zeichen (engl. 144.000). – Ausgaben:

Alan Bennett: Die souveräne Leserin. Aus dem Engl. von Ingo Herzke. Berlin: Wagenbach 2008.

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Johann Holtrop-Lisztomania (Teil 1)

Berlin, 20. September 2012, 23:29 | von Mynaral

Krölpa (S. 11)
Werra (S. 15)
Nörsel (S. 15)
Bad Langensalza (S. 15)
Schönhausen (S. 17)
Gössitz (S. 18)
Tonna (S. 18)
OT Lauchhammer (S. 19)
Speyer (S. 23)
Stranow (S. 32)
Gamma (S. 33)
Torze (S. 33)
Hettlich (S. 33)
Ursel (S. 33)
Horre (S. 33)
Orla (S. 33)
Weste (S. 33)
Leipzig (S. 40)
Berlin (S. 41)
Hamm (S. 50)
Gera (S. 62)
Erfurt (S. 62)
Halle (S. 62)
Suhl (S. 62)
Rostock (S. 67)
Krampe (S. 87)
OT Bad Hönow (S. 90)
Karinhall (S. 90)
Frankfurt (S. 103)
New York (S. 103)
Shanghai (S. 103)
Hongkong (S. 103)
Bonn (S. 154)
München (S. 155)
Stuttgart (S. 158)
Unterhaching (S. 159)
Dresden (S. 162)
Köln (S. 166)
Hannover (S. 166)
Wiefelspütz (S. 170)
Wermelskirchen (S. 170)
Peking (S. 177)
Redecke (S. 181)
Bokel (S. 181)
Dortmund (S. 196)
Gstaad (S. 205)
Karlsruhe (S. 211)
Hamburg (S. 212)
Oldenburg (S. 213)
Prieche (S. 224)
Taubach (S. 224)
Düsseldorf (S. 224)
Paderborn (S. 224)
Hanau (S. 224)
Kassel (S. 250)
Grassassens (S. 252)
Überlingen (S. 252)
Kleinwalsersdorf (S. 252)
Jensfurt (S. 252)
Warstein (S. 252)
Wartenstein (S. 252)
Wien (S. 263)
Reudnitz (S. 273)
London (S. 314)
Festenbergskreuth (S. 318)
Hornum (S. 326)
Monaco (S. 326)
Nizza (S. 326)
Cannes (S. 326)
St. Tropez (S. 326)
La Rouillère (S. 326)
Bagary (S. 327)
Schwechat (S. 334)
Unterschleißheim (S. 335)
Heiligendamm (S. 336)
Hinterniedertrachtingen (S. 339)

 


100-Seiten-Bücher – Teil 35
Johann Gottfried Seume: »Mein Leben« (1813)

Berlin, 18. September 2012, 15:26 | von Josik

Der letzte Satz in Seumes Autobiografie lautet: »Und nun –«. Natürlich würden sich diese Worte samt dem Gedankenstrich auch ganz hervor­ragend als Grabinschrift eignen und dergestalt den Pragmatismus solcher berühmten Grabsprüche wie: »Es liegt begraben die ehrsame Jungfrau Nothburg Nindl / gestorben ist sie im siebzehnten Jahr / just als sie zu brauchen war« ausstechen. Allerdings war dieser Schluss so nicht beabsichtigt, vielmehr ist Seume zwischendurch gestorben, und seine Autobiografie kann nunmehr nur deshalb den Hundertseitern zugeschlagen werden, weil sie Fragment geblieben ist.

Sehr schön finde ich, dass Seume mehrmals das Wörtchen Hm ver­wendet, einmal auf S. 20 der Reclam-Ausgabe: »Mein Vater, der den Vorfall hörte, sagte weiter nichts als sein bedenkliches Hm, und ich habe nie seine Meinung über den streitigen Punkt erfahren«, und dann auf S. 27: »[E]in Hm hm mit Kopfschütteln oder ein ›du kommst jetzt nicht vorwärts, mein Sohn!‹ waren hinlänglich, mich in den Gang zu bringen.« Das Grimm’sche Wörterbuch fährt in den Belegstellen zum Lemma HM einen Rattenschwanz an Großautoritäten auf, den Maler Müller, Jean Paul, Schiller, Göthe, Klinger, Immermann usw. usw., irrerweise auch einen dort so genannten Kotzebuk – doch Seume fehlt.

Einen seiner Lehrer schließlich zitiert der dort Fehlende mit dem Wortwitz: »Lumina mundi wollt ihr werden; ja, ihr Halunken, lumpenhundi werdet ihr sein.« (S. 35) Im Grimm’schen Wörterbuch ist sogar das Wort lumpenhündlein verzeichnet! Übrigens kann man dumme Menschen, die abgeschmackte chinesenfeindliche Witze über den Verzehr von Hunden und Katzen reißen, jederzeit mit diesem Zitat aus Seumes Autobiografie beschämen: »Wenn […] ich den schwarzstriefigen Kommisspeck und auch den Rauchlachs zum Überdruß gegessen hatte, schoß uns Serre in den Außengegenden auch wohl einen fetten Hund oder einen feisten Kater, deren frisches Fleisch und Fett uns nicht selten leckere Mahlzeiten gaben.« (S. 95f.)

Länge des Buches: ca. 181.000 Zeichen. – Ausgaben:

J. G. Seume: Mein Leben. Leipzig: Göschen 1813. S. 1–183 (= 183 Textseiten) (online)

Johann Gottfried Seume: Mein Leben. Nebst Fortsetzung von C. A. H. Clodius. Mit einem Nachwort von Günther Birkenfeld. Stuttgart: Reclam 1977. S. 3–98 (= 96 Textseiten)

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Kaffeehaus des Monats (Teil 72)

sine loco, 14. September 2012, 18:03 | von Paco

Wenn du mal richtig Zeitung lesen willst:

Café de Paris, Jarmers Plads 1, København (wie immer ein dezidiert schlechtes Touri-Foto)

Kopenhagen
Das Café de Paris am Jarmers Plads 1.

(Gerade seit zwei Wochen geöffnet, wunderbar gelegen in der entmilitarisierten Zone zwischen Ørsted-Park und H. C. Andersens Boulevard, betrieben von einem Bergamasken mit stahlblauen Terence-Hill-Augen und überbordender Parissehnsucht. Ein Schild hängt draußen noch nicht dran, aber das Café ist schon da, und zwar jeden Morgen ab 6.30 Uhr. Die Getränke und die Panini sind natürlich extrem gut. Und sobald er mal wieder Zeit hat, sagt der Barista, will er draußen auch das Kaffeehausnamensschild dranschrauben.)
 


100-Seiten-Bücher – Teil 34
Hans Blumenberg: »Schiffbruch mit Zuschauer« (1979)

Solingen, 11. September 2012, 21:18 | von Bonaventura

Seit Ende der 50er-Jahre hat Hans Blumenberg, wohl unter direktem Einfluss von Ernst Robert Curtius’ Topos-Konzept, seine Metaphoro­logie sowohl durch systematische Sammlung von Paradigmen als auch theoretisch entwickelt. Allerdings muss ihm bald vor dem sich abzeich­nenden Umfang des Projektes gegraut haben, denn Ende der 70er-Jahre plant er zusammen mit dem Suhrkamp Verlag, die Metaphoro­logie zuerst peu à peu in einzelnen Taschenbüchern erscheinen zu lassen und diese Teile erst nachträglich zusammenzuführen.

So erschien 1979 als erster Teil dieses Projekts das Bändchen »Schiffbruch mit Zuschauer«, das die von Lukrez geprägte Metapher von dem am sicheren Land stehenden stoischen Betrachter des Schiffbruchs der anderen im Meer der Welt durch diverse Wandlungen hindurch bis ins 20. Jahrhundert hinein verfolgt. Ergänzt wird der historische Gang um einen Essay, der so etwas wie die Grundlegung einer Metaphorologie als Theorie der Unbegrifflichkeit liefert. Allein die verständige Lektüre dieser knapp 20 Seiten erspart einem die ganzer Kompendien.

»Schiffbruch mit Zuschauer« war kein Erfolg, weswegen Blumenberg den Plan einer systematischen Fortsetzung aufatmend fallen lassen konnte. Er hat dann den gesammelten Stoff zu zahlreichen Zeitungsbeiträgen verarbeitet, die Suhrkamp wiederum zu ganz wundervollen Bändchen zusammengestellt hat. Und auf diese Weise wurde Hans Blumenberg zu einem Meister des 100-Seiten-Buchs.

Länge des Buches: ca. 222.500 Zeichen. – Ausgaben:

Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979.

Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1997.

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100-Seiten-Bücher – Teil 33
Lewis Carroll: »Tagebuch einer Reise nach Rußland im Jahr 1867« (1928/1935)

Berlin, 7. September 2012, 14:45 | von Josik

Günter Grass, der nach Angaben von Sibylle Berg »ungefähr 119« Jahre alt ist, hat vor ein paar Monaten, von der Öffentlichkeit fast gänzlich unbeachtet, ein einzelnes Kapitel aus dem »Butt« neu ausgekoppelt und als Hundertseiter herausgebracht. Das den Tagebüchern von Charles Lutwidge Dodgson entnommene »Russian Journal« ist da freilich eine Auskopplung ganz anderen Kalibers. Auf der Reise nach Russland stellt Carroll fest: »Gewisse Teile von Berlin sehen aus wie ein Schlachthaus für Fossile«, eine Beobachtung, die ja heute noch genauso zutrifft.

Ich lese dieses Buch, weil es so unbeschreiblich toll und voller allerliebster Zeichnungen ist, jedes Jahr etwa zwei Mal, hierin dem Beispiel Christiane Frohmanns folgend, die über Kafkas »Proceß«, eines ihrer Lieblingsbücher, neulich sagte: »Dieses Buch lese ich mindestens einmal im Jahr«.

Felix Philipp Ingold lobt im Nachwort zur deutschen Ausgabe: »Bezüg­lich der Zahlen fällt auf, daß Carroll/Dogdson […] Daten, Termine, Größen oder Distanzen präzis anzugeben pflegt, daß er […] mit genauen Zahlenangaben aufwartet« (S. 126). Dies trifft aber auf folgende, für einen Mathematiker doch recht ungewöhnliche Stelle nicht zu: Am 24. August notiert Carroll, er habe »ein bis zwei Kirchen« (im Original: »one or two churches«) besucht.

Solche Ungenauigkeiten finden sich aber etwa auch in »Dichtung und Wahrheit«, z. B. dort, wo Goethe berichtet, wie er einmal auf den Gedanken verfallen sei, einen Roman »von sechs bis sieben Geschwistern« zu erfinden, und dann zählt er sie allesamt auf: eine Schwester und sechs Brüder. Macht sieben. Aber womöglich zählt der jüngste Bruder gar nicht, einfach aus dem Grund, weil er eben der jüngste ist, oder wie Goethe ihn nennt: das »Nestquackelchen«.

Länge des Buches: > 115.000 Zeichen (?). – Ausgaben:

Lewis Carroll: Tagebuch einer Reise nach Rußland im Jahr 1867. Aus dem Engl. von Eleonore Frey. Hrsg. von Felix Philipp Ingold. Ostfildern: Edition Tertium 1997. S. 3–115 (= 113 Textseiten, einige davon mit hübschen Bildchen vollgepflastert)

Lewis Carroll: Tagebuch einer Reise nach Rußland im Jahr 1867. Aus dem Engl. von Eleonore Frey. Hrsg. von Felix Philipp Ingold. Frankfurt/M; Leipzig: Insel-Verlag 2000.

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)


Marlene Streeruwitz

Berlin, 5. September 2012, 10:49 | von Josik

In dem berühmten »Spiegel«-Interview mit Marlene Streeruwitz (Ausg. 48/2006, S. 173) ist übrigens wirklich jeder einzelne Satz spitze: »Ich will als handelndes und denkendes Subjekt nicht auf ein sprechendes Geschlechtsorgan reduziert werden.« Oder: »Das Theater hält sich selbst nicht für kritisierbar. Das muss besprochen werden.« Oder: »Wir sind damit wieder beim Hanswurst-Theater auf dem Marktplatz, von dem Lessing einst wegwollte.« Oder: »Ich bin telefonisch erreichbar.« Oder auf die Frage: »Sie bekennen sich zur Humorlosigkeit?« die schöne Antwort: »Ja.« Ach ach, ich könnte jahrzehntelang nichts anderes tun als aus diesem herrlichen Interview zitieren!
 


Software & Erinnerung (Teil 7)

Leipzig, 1. September 2012, 19:23 | von Paco

Das Motto ist immer noch dasselbe:
»Et tout d’un coup le souvenir m’est apparu.« (Proust, Combray)

(Das Vorwort ist auch ungefähr dasselbe wie letztes und vorletztes Jahr:)

Wenn man sich bei OldVersion.com zum Beispiel die Version 4.7 des Netscape Navigators runterlädt (1999) und tatsächlich noch mal installiert (Erfahrungsbericht), oder den Firefox 0.8 (2004) oder eine alte WordPress- oder OpenOffice-Version, ist das genau das Stückchen Sandgebäck, das Proust in den Tee sinken lässt. Die schwerfälligen Knöpfe im alten OpenOffice (dessen ganzer Ruhm inzwischen sowieso an LibreOffice übergangen ist), das spartanische Look & Feel des frühen Mozilla-Browsers, die sagenhaften Verzögerungen im uralten IE – das ruft sofort eine andere Zeit in Erinnerung, siehe Motto. Und in GIMP ist nun auch nichts mehr wie vorher, denn seit Version 2.8 gibt es endlich einen Ein-Fenster-Modus – sensationell und überschriften­tauglich!

Unsere Versionsnummernlyrik, die demselben Untergenre zuzurechnen ist wie die Kassenbongedichte von Susann Körner, geht heute ins sechste Jahr (siehe 1. Sept. 2007, 1. Sept. 2008, 1. Sept. 2009, 1. Sept. 2010, 1. Sept. 2011). Unten stehen die heute aktuellen Versionsnummern und dahinter, getrennt durch einen senkrechten Strich, die Versionsnummern, die vor genau einem, zwei, drei, vier und fünf Jahren aktuell waren. Es handelt sich um Software, die wir auch damals schon benutzt haben. Neue Programme wurden nicht aufgenommen, obwohl man diese Versionsnummernpoesie auch auf Apps erweitern sollte.

Versionsnummern-Politik kann man sich etwa anhand der Versionen­geschichte des VLC media players veranschaulichen. Im Juli 2009 machte der Player einen Sprung von 0.9.9 auf 1.0, nicht auf 0.10 – das erweckte den Eindruck, als ob endlich das Betastadium verlassen und die Finalversion erreicht wurde, die übliche Benennung als Version 0.10 jedenfalls hätte nach außen hin evtl. unseriös gewirkt. An den zackigen Versionssprüngen von Google Chrome (von V13 auf V21 im letzten Jahr, ich freue mich schon auf Google V100, lange kann es ja nicht mehr dauern) hat sich auch der Firefox ein Beispiel genommen (in zwölf Monaten von V6 auf V15).

Ergänzend zu der Forderung von Frank Schirrmacher – »Die Algorith­men müssen in Narration übersetzt werden.« – rufen wir weiterhin nach einer verschriftlichten Ästhetik der Versionsnummer (wobei der Wikipedia-Artikel über Software versioning schon sehr gut ist) und, warum nicht, einem Lehrstuhl für Softwaregeschichte. Hier aber erst mal weiteres historisches Material:

(Schema)

(Name) (V-Nr. 2012) | (V-Nr. 2011) | (V-Nr. 2010) | (V-Nr. 2009) | (V-Nr. 2008) | (V-Nr. 2007)

Browser & Aufsätze

Opera 12.02 | 11.51 | 10.61 | 10.00 | 9.52 | 9.23
Firefox 15.0 | 6.0.1 | 3.6.8 | 3.5.2 | 3.0.1 | 2.0.0.6
SeaMonkey 2.12 | 2.3.2 | 2.0.6 | 1.1.17 | 1.1.11 | 1.1.4
Netscape Navigator (†) 9.0.0.6 | 9.0.0.6 | 9.0.0.6 | 9.0.0.6 | 9.0.0.6 | 9.0b3
Konqueror 4.9.0 | 4.7.0 | 4.5.0 | 4.3.0 | 4.1.0 | 3.5.7
Safari 6.0 (für Windows: 5.1.7 [7534.57.2]) | 5.1 (7534.50) | 5.0.1 (7533.17.8) | 4.0.3 (531.9.1) | 3.1.2 (525.21) | 3.0.3 (522.15.5)
Google Chrome 21.0.1180.89 | 13.0.782.218 | 5.0.375.127 | 2.0.172.43 | 0.2.149.27 [1583] | –
Amaya 11.4.4 | 11.3.1 | 11.3.1 | 11.2 | 10.0.1 | 9.55
Internet Explorer 10.0.9200.16384 | 9.0.8112.16421 | 8.0.6001.18943 | 8.0.6001.18813 | 8.0.6001.18241 | 7.0.5730.11
Maxthon 3.4.2.3000 | 3.1.6.1000 | 2.5.15.1000 | 2.5.6.350 | 2.1.4.238 | 2.0.3.4643

Server/Database/CMS

Apache 2.4.3 | 2.2.20 | 2.2.16 | 2.2.13 | 2.2.9 | 2.2.4
MySQL Community Server 5.5.27 | 5.5.15 | 5.1.50 | 5.1.37 | 5.0.67 | 5.0.45
PostgreSQL 9.1.5 | 9.0.4 | 8.4.4 | 8.4.0 | 8.3.3 | 8.2.4
MediaWiki 1.19.1 | 1.17.0 | 1.16.0 | 1.15.1 | 1.13.0 | 1.10.1
osCommerce v3.0.2 | v3.0.2 | v3.0 Alpha 5 | 3.0 Alpha 5 | 2.2 RC 2a | 2.2 RC1
Trac 0.12.3 | 0.12.2 | 0.12 | 0.11.5 | 0.11.1 | 0.10.4
WordPress 3.4.1 | 3.2.1 | 3.0.1 | 2.8.4 | 2.6.1 | 2.2.2
Typo3 4.7.4 | 4.5.5 | 4.4.2 | 4.2.8 | 4.2.1 | 4.1.2
Joomla 2.5.6 | 1.7.0 | 1.5.20 | 1.5.14 | 1.5.6 | 1.5 RC1

Clients

WinSCP 4.3.9 | 4.3.4 | 4.2.8 | 4.1.9 | 4.1.6 | 4.0.3
FileZilla 3.5.3 | 3.5.1 | 3.3.4.1 | 3.2.7.1 | 3.1.2 | 3.0.0 RC3
FireFTP 2.0.7 | 1.99.5 | 1.0.9 | 1.0.5 | 1.0.2 | 0.98
Trillian 5.2.0.12 | 5.0.0.34 | 4.2.0.22 | 4.0.0.117 | 3.1.10.0 | 3.1.7.0
mIRC 7.25 | 7.19 | 7.1 | 6.35 | 6.34 | 6.3
RapidSVN 0.12.1 | 0.12.0 | 0.12.0 | 0.10.0 | 0.9.6 | 0.9.4 / Subversion 1.7.6 | 1.6.17 | 1.6.5 | 1.6.3 | 1.5.2 | 1.4.2

Media Players

VLC media player 2.0.3 | 1.1.11 | 1.1.4 | 1.0.1 | 0.8.6i | 0.8.6c
Media Player Classic 1.6.3.5818 | (neuer Fork: Media Player Classic Home Cinema, 1.5.2.3456) | 6.4.9.1 rev 107 | 6.4.9.1 rev 104 | 6.4.9.1 rev 72 | 6.4.9.0
Songbird 2.0.0 | 1.9.3 | 1.7.3 | 1.2.0 | 0.7.0 | 0.2.5
Amarok 2.6 | 2.4.3 | 2.3.1 | 2.1.1 | 1.4.10 | 1.4.6
foobar2000 1.1.14a | 1.1.7 | 1.1 | 0.9.6.9 | 0.9.5.5 | 0.9.4.4
Winamp 5.63 | 5.621 | 5.58 | 5.56 | 5.541 | 5.35 (immer noch gut: 2.91)

Editoren/Word Processors

OpenOffice 3.4.1 | 3.3.0 | 3.2.1 | 3.1.1 | 2.4.1 | 2.2.1 (neuer Fork: LibreOffice 3.6.1 | 3.4.3)
XMLmind 5.3.0 | 4.9.1 | 4.6.1 | 4.4.0 | 4.0.0 | 3.6.1
Notepad++ 6.1.6 | 5.9.3 | 5.7 | 5.4.5 | 5.0.3 | 4.2.2
UltraEdit 18.10 | 17.20 | 16.10 | 15.10 | 14.10 | 13.10a
Kate 3.7 | 3.6 | 3.4 | 3.3.0 | 3.1 | 2.5.4
XEmacs 21.4.22 | 21.4.22 | 21.4.22 | 21.4.22 | 21.4.21 | 21.4.20
JOE 3.7 | 3.7 | 3.7 | 3.7 | 3.5 | 3.5

Coding

Perl 5.16.1 | 5.14.1 | 5.12.1 | 5.10.1 | 5.10.0 | 5.8.8
PHP 5.4.6 | 5.3.8 | 5.3.3 | 5.3.0 | 5.2.6 | 5.2.4
Python 3.2.3 | 3.2.1 | 3.1.2 | 3.1.1 | 2.5.2 | 2.5.1
GCC 4.7.1 | 4.6.1 | 4.5.1 | 4.4.1 | 4.3.2 | 4.2.1
Ruby 1.9.3 | 1.9.2 | 1.9.2 | 1.9.1 | 1.9.0 | 1.8.6
Ruby on Rails 3.2.8 | 3.1.0 | 3.0.0 | 2.3.3 | 2.1.0 | 1.2.3
JDK 7 update 6 | 6 Update 27 | 6 Update 21 | 6 Update 16 | 6 Update 7 | 6 Update 2

Gfx/Pics/Print

Photoshop CS6 | CS5 | CS5 | CS4 | CS3 | CS3
GIMP 2.8.2 | 2.6.11 | 2.6.10 | 2.6.7 | 2.4.7 | 2.2.17
IrfanView 4.33 | 4.30 | 4.27 | 4.25 | 4.20 | 4.00g
Picasa 3.9 Build 136.07 | 3.8 Build 117.43 | 3.8 Build 115.45 | 3.1.0 Build 71.43 | 2.70 Build 37.36 | 2.7.0
ImageMagick 6.7.9-2 | 6.7.2-1 | 6.6.3-8 | 6.5.5-5 | 6.4.3-6 | 6.3.5-6
Ghostscript 9.06 | 9.04 | 8.71 | 8.70 | 8.63 | 8.60

Edu

LingoPad 2.6 (360) | 2.6 (360) | 2.6 (360) | 2.6 (360) | 2.6 (360) | 2.5.1 (325)
Google Earth 6.2.2.6613 | 6.0.3.2197 | 5.2.1.1547 | 5.0.11733.9347 | 4.3.7284.3916 | 4.2.0181.2634

Distros

Kubuntu 12.04 | 11.04 | 10.04 | 9.04 | 8.04 | 7.04
OpenSUSE 12.1 | 11.4 | 11.3 | 11.1 | 11.0 | 10.2
Slackware 13.37 | 13.37 | 13.1 | 13.0 | 12.1 | 12.0

Desktop/Command Line

KDE 4.9.0 | 4.7.0 | 4.5.0 | 4.3.0 | 4.1.0 | 3.5.7
Beagle (momentan gestoppt) 0.3.9 | 0.3.9 | 0.3.9 | 0.3.9 | 0.3.8 | 0.2.18
Bash 4.2 | 4.2 | 4.1.7 | 4.0.28 | 3.2.33 | 3.2.17