Elbjazz

Hamburg, 8. Juni 2017, 12:38 | von Montúfar

Das Elbjazz-Festival fand diesmal wieder auf dem coolsten Festivalgelände ever statt, der Blohm+Voss-Werft in Hamburg. Jazzfans sind ja dafür bekannt, einen unvermittelt nach den abseitigsten Insiderfakten abzufragen und einen gnadenlos zu ächten, falls man nicht wie aus der Pistole geschossen die Antwort weiß, wer denn gleich noch mal auf Jan Garbareks 1974er-Album »Luminessence« das Klavier für Keith Jarrett gestimmt hat. Deswegen hatte ich sicherheitshalber gleich keine Karten für das Garbarek-Konzert in der Elphi bekommen und mich auf dem Weg nach Hamburg mithilfe der aktuellen Jazz-Thing informiert.

Tatsächlich: Gleich am ersten Abend, auf dem Weg von der Bühne Am Helgen zur Alten Maschinenbauhalle, trat meiner Begleiterin und mir ein junger Mann in den Weg und verlangte, eine kurze Frage stellen zu dürfen. Es war soweit. Ich konnte mich plötzlich an keine Namen, Daten, Fakten aus meiner Jazz-Thing erinnern, hatte aber bereits abwehrend-verunsichert genickt. »Sagt mal, kennt ihr Heinz Sielmann?« Fuck. Aufgrund meiner intensiven Jazz-Vorbereitung hatte ich die SZ von diesem Tag nur durchgeblättert. »Ja ja, der Tierfilmer, der hat doch heute Geburtstag, is 80 geworden oder so. Oder sogar 90.« »100 wäre er geworden!«, schmetterte mir der junge Mann freudig entgegen und drehte sich ebenso freudig zu seiner Begleiterin um: »Hab ich doch gesagt, dass der berühmt ist.« Der jungen Frau war der Auftritt ihres Begleiters fast so peinlich wie mir meine falsche Antwort. Meine Begleiterin und ich retteten uns zu einem veganen Imbissstand, der den total witzigen Namen »Vincent Vegan« trug und bei dem man zur besseren Zuordnung der Bestellung, auf die man ein wenig warten musste, weil ja alles frisch zubereitet wurde, einen Tiernamen nennen sollte. Wir warteten also, bis »Eichhörnchen« ausgerufen wurde und fanden es beide wirklich lecker.

Nach dem ersten Festivaltag saßen wir noch mit Freunden vor dem »Tool«, Hamburgs coolstem Fahrradladen. Dort zeigte mir unsere Gastgeberin eine geniale Funktion ihres Smartphones. Sie brauchte beim Verfassen von SMS gar keine Buchstaben eingeben, sondern konnte sich in einem gesonderten Feld sechs Wortvorschläge anzeigen lassen. Sie wählte mehrfach hintereinander immer wieder den ersten Vorschlag und auf dem Display erschien: »Hi Thomas Mann mit den ganzen Text …«. Danach verlor sich die Vorschlag-Random-SMS in Relativkonstruktionen, die ich mir nicht gemerkt habe.

Als wir am zweiten Festivaltag das Werftgelände verließen, um zu einer anderen Bühne im Thalia-Zelt in der Hafencity zu gehen, stieß mich meine Begleiterin in die Seite: »Ey, da is grad Heinz Strunk vorbeigelaufen!« Ich hatte nicht auf die mir entgegenkommenden Besucher geachtet, weil ich von der Größe des Wurstgrills beeindruckt war, der neben dem Ausgang vor den Toren einer Feuerwehrstation stand. Also konnte ich mich nur noch schnell rumdrehen und einen Mann sehen, der von hinten so aussah, wie ich mir Heinz Strunk von hinten vorstelle.

Da das Festival schon am Samstag Abend vorbei war und es uns im Thalia-Zelt so gut gefallen hatte und wir am Sonntag erst am Abend wieder abreisten und es eine Sonntag-Nachmittag-Vorstellung im Thalia gab, gingen wir hin. Es war ein Stück von einer australischen Schauspielgruppe und begann damit, dass eine Figur mit Tieren bedruckte Pappen so hochgehalten hat, dass die andere Figur das Bild nicht sehen konnte, dennoch aber immer das richtige Tier nannte. Da das Stück auf Australisch war, wurden Text und Übersetzung an den Rückraum der Bühne projiziert. Die Ratefigur hätte also schummeln können und nach hinten kucken, hat das aber wirklich nicht ein einziges Mal gemacht. Es stellte sich dann heraus, dass die Ratefigur Gott war, die den Tieren der Welt gerade ihre Namen gab. Die Rolle der anderen Figur hat sich mir nicht erschlossen. Als dann tatsächlich ›squirrel‹ genannt wurde, bekam ich Hunger, zumal das Stück »Lady Eats Apple« hieß, was aber nur metaphorisch gemeint war. Deshalb gingen wir anschließend ins Café Koppel, wo es Milchreis mit Zucker und Zimt gibt. Zum Nachtisch fanden wir in einem Kiosk noch spanische Süßigkeiten mit dem Namen »Camel Balls«, der auf der Verpackung auch eindrücklich visualisiert wird. Die aßen wir dann am Ufer der Außenalster, während wir die vielen kleinen Segelboote betrachteten und unsere Gastgeberin erzählte, wie sie früher immer von hier zum gegenüberliegenden Außenalsterufer und wieder zurück geschwommen sei.
 

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