The Best Newsagent
London, 26. Mai 2007, 10:18 | von DiqueIn den Zeitungslaeden deutscher Grossstadt-Bahnhoefe gibt es den »Spiegel« am Sonntagabend offiziell ab 20 Uhr zu kaufen. Obwohl der Spiegel dort schon deutlich frueher eintrifft, wird er keine Sekunde frueher verkauft. Um 19.45 stand ich auf dem Leipziger Hauptbahnhof und fragte nach dem Spiegel. Ich sah den Stapel der Magazine schon hinter der Verkaeuferin auf dem Regal liegen, wurde aber darauf hingewiesen, dass das aktuelle Heft erst in 15 Minuten zu haben sei. Meine Fresse. Ich habe nicht gewartet und ich habe auch nicht gebettelt. 15 Minuten!
Ich habe darueber viel nachgedacht, tue das noch heute. Die haben vernetzte Kassen, denke ich mir. Klar, und wenn die Verkaeuferin das Magazin ueber die Scannerkasse zieht, dann geht es ins Kassensystem, und man kann vielleicht tatsaechlich herausfinden, dass irgendwo, in diesem Fall in Leipzig, eine Zeitungsverkaeuferin einen »Spiegel« 15 Minuten zu frueh verkaufte. Diese Meldung geht sofort nach Hamburg in die »Spiegel«-Zentrale.
Was passiert dann? Am Sonntagabend wohl noch nichts, aber spaetestens am Montagmorgen in der Redaktionssitzung im »Spiegel«-Verlag in Hamburg bringt ein Praktikant dem Herrn Aust verschiedentliche Dokumente. Darunter befinden sich auch die Verkaufslisten der Bahnhofszeitungslaeden. Diese geht Aust dann persoenlich durch, er nennt die Gesamtsumme der illegalen Vorverkaeufe und geht dann jeden einzelnen Posten durch: »Leipzig, 19.45 Uhr, ein Exemplar.« Der Rest ist Standardprozedere, der Filialleiter von »Presse und Buch« erhaelt die Entlassungsurkunde von der »Spiegel«-Redaktion als Vordruck gemailt und braucht sie nur noch zu unterschreiben.
Laut Countdown auf der »Monocle«-Website sollte die erste Ausgabe des Blattes ab 9 Uhr morgens in den Zeitungslaeden in London erhaeltlich sein. Ich war am 15. Februar 2007 bereits um 8 Uhr morgens bei meinem Zeitungsmann und fragte nach »this new magazin called Monocle that is supposed to be coming out today«. Ohne ein Wort drehte er sich um und ging langsam nach hinten in den kleinen Lagerraum. Ueber seine Schulter sah ich auf dem Regal schon einen Stapel Monocles liegen, und er kommt strahlend zurueck, haelt mir das Heft mit beiden Haenden hin und sagt: »The best newsagent, hehh!?«