Die wahre Frankfurter Rundschau
Leipzig, 11. Juli 2007, 10:31 | von PacoMarcuccios im Namen des Umblätterers geschriebenen Lese-Wegweiser ist nichts hinzuzufügen. Nur diese Fußnoten:
Das wahre Feuilleton der FR wird seit Jahren im Titel-Magazin weitergeschrieben. Der ehemalige FR-Feuilletonhäuptling Wolfram Schütte ist dort keinem redaktionellen Zwang mehr unterworfen und treibt Literaturberichterstattung nach eigenem Gusto. Auf dem Schirm der Feuilletonredaktionen ist das TM spätestens seit seinem Zwischenruf zur »Lolita«-Abkupfer-Debatte 2004.
Man muss aber auch mal kritisieren, dass Schüttes Texte nicht wirklich netzaffin sind, sondern im Prinzip noch ein Printmedium als Outputorgan imaginieren. Oder wer hat diesen Walser-»Essay in 10 Teilen« gelesen?
Zurück zur FR, die auch heute noch gute und interessante Literaturredakteure wie Ina Hartwig hat. Im Gedächtnis bleiben vom FR-Feuilleton aber vor allem die Hammertexte ihrer freien Autoren. Stephan Maus‘ Totalverriss von Christa Wolfs pathetischem Leidensbuch »Leibhaftig« (FR vom 20. März 2002) gehört mittlerweile zu den Standardtexten literaturkritischer Polemik in der Post-Reich-Ranicki-Ära. (Ansonsten gilt, was der Umblätterer im Dezember 2005 in der Laudatio auf Stephan Maus geschrieben hat.)
Dann die Kolumne »Times mager«: Die versteht immer keiner, weil keiner weiß, was »Times mager« bedeuten soll. Ok, es ist eine Schrifttype, es hängt da irgendwie eine Assoziation zu ›mageren Zeiten‹ mit drin usw., aber trotzdem: What in the fuck! Gabriel zum Beispiel schüttelt immer noch den Kopf über so wenig Gespür beim Betiteln einer so wichtigen Textsorte wie der identitätsbildenden Glosse: »Wer hat sich denn sowas ausgedacht!«
Die taz zum Beispiel hat es mit ihrem Seite-1-Begrüßungskästchen richtig gemacht: Erst wollten sie es »tagesschau« nennen wie die gleichnamige TV-Show (gibt’s die noch?, hehe). Das wurde ihnen jedoch untersagt. Jetzt heißt das Kästchen »verboten«, und in wirklich JEDER Ausgabe steht mit dabei: »verboten darf nicht tagesschau heißen«. Wir alle wissen, dass das der wahre Titel ist, »einer der schönsten Kolumnentitel ever«, sagt Gabriel und sage auch ich.
Zurück zur FR. Der Einstieg der SPD-Medienholding und die bald darauf erfolgte unfreiwillige Bezeichnung als »abhängige Tageszeitung« seien jetzt mal nur en passant erwähnt. Zum Schluss aber noch ein Kommentar zum Tabloid-Format, mit dem die FR seit dem 30. Mai. d. J. seine Texte ausliefert. So revolutionär die Einführung des Tabloid-Formats im deutschen Qualitätszeitungsmarkt auch ist, sie trägt weiter zur Verwässerung der FR bei, weil dadurch die Buch-Struktur zerstört wird. Wo ist denn jetzt das verdammte Feuilleton! Blätter, blätter, blätter …
Am 14. Juli 2007 um 20:39 Uhr
nu, vielleicht gilt auch für TM die ironie der unverständlichkeit. oder muss man da komplementär argumentieren und die tragödie des tagesbefehls ins feld führen. kein pathos ohne ironie und vice versa ( vera! ): pathetisch, wie Martenstein ironiefrei seine anschläge bastelt, tragisch, was Hans-Jürgen Linke in TIMES MAGER vom 25. 5. als schurnalisten-dope ausgibt. wette, zwischen andern blättern trocknet bess’res ! („willste mal meine sammlung sehen?“, Paco würde sagen: „hehe“. aber vielleicht kann mal wer in der epoche der rererelaunsches der FR mal ein anständiges online-archiv verpassen …. semantic web oder so.)
Am 15. Juli 2007 um 14:20 Uhr
Wir im Ländle wollen ja alles außer differenzieren, und deshalb bleibt der Umblätterer aus Konstanz bei seiner FR-Peak-Time-over-Darstellung. Vor allem ärgert er sich weiterhin über das neue Tabloid. Ringt sich „die neue FR“ eigentlich noch mal zu einer Entscheidung durch, ob sie aus ihrem neuen Format demnächst noch was macht – z. B. eine echte Frontpage statt dieser allzuhäufigen Verlegenheits-Ausstellung von Zeitungsinnereien?
Und welcher redaktionelle Migrationshintergrund (vulgo: Praktikanten-Fluktuation) ist eigentlich dafür verantwortlich, dass die Interview-Rubrik auf der letzten Magazin-Seite mal arabisch „10 Fragen an“ und mal „Zehn Fragen an“ heißt?