Wir Serienjunkiez
Leipzig, 31. Juli 2007, 10:28 | von PacoIm wie immer hervorragenden Feuilleton der FAS von vorgestern wurde die Medienseite für einen schönen Artikel von Michael Althen freigeräumt, der die Überschrift trug »Serien sind das neue Kino«:
»Was ist das? Wo kommt das her? Warum geht es plötzlich allen so? Man redet plötzlich nicht mehr über diesen oder jenen Film, den man gesehen hat, sondern fachsimpelt über die Feinheiten irgendwelcher Wendungen in der dreizehnten Folge der vierten Staffel irgendeiner Fernsehserie.«
Das Thema ist natürlich schon seit Längerem da, und besonders die Serienjunkies können ein Lied davon singen und tun das auch, wie Christian Junklewitz in seinem Artikel »TV Killed the Movie Star« vom Januar.
Auch in der F-Zeitung wird das Thema durch Serienberichterstatter wie Dietmar Dath oder Felicitas von Lovenberg ab und zu implizit bedient. Trotzdem bringt der Artikel des Film(!)kritikers Althen die Serieneuphorie zum ersten Mal in größerem Rahmen auf den Punkt, mit der schönen, knallharten Pointe des Titels.
Angefangen hat »das« übrigens so massiv spätestens Ende September 2004, als die beiden Superserien des Jahrzehnts starteten, »Desperate Housewives« und »Lost«. Seitdem ist niemand mehr satisfaktionsfähig, der nicht auf dem aktuellsten Stand ist, und zwar auf dem Stand der amerikanischen Ausstrahlung.
Ausschlaggebend für das Denken in Serienstrukturen ist auch das Reden über Staffeln und Folgen, so wie das Althen im obigen Zitat beschreibt. Früher kam halt irgendeine Folge der »Simpsons«, der »Bill Cosby Show«, von »ALF« oder dem »A-Team« im Fernsehen. Die Programmzeitschriften nannten höchstens noch den deutschen Titel der jeweiligen Folge, eine Information, die heute vollkommen unzureichend ist.
In voller Ausprägung kann man diese neue Kulturtechnik in Dietmar Daths bereits 2003 erschienenem und mittlerweile vergriffenem Buch über »Buffy« sehen (»Sie ist wach. Über ein Mädchen, das hilft, schützt und rettet«, Implex Verlag). Da steht zum Beispiel auf Seite 30:
»Wir saßen auf dem großen Bett, von dem aus man so gut fernsehen kann. / Der Abspann von ›Normal Again‹, der siebzehnten Folge der sechsten Staffel, lief gerade auf dem Schirm, richtig vorbei war das Erlebnis noch nicht.« Usw.
So sieht’s aus. Und nebenbei: Was ist nur mit der Blogosphäre los: Fast nirgends wird der Althen-Artikel diskutiert. Könnte aber auch daran liegen, dass der Artikel nicht frei zugänglich ist. Aber vielleicht kommt der noch im Laufe der Woche?
Am 31. Juli 2007 um 17:42 Uhr
„die beiden Superserien des Jahrzehnts »Desperate Housewives« und »Lost«“
hmm, entweder verkenne ich das Potential o.g. Serien, oder ich bin einfach nicht mehr begeisterungsfähig – bin aus beiden Serien spätestens während der zweiten Staffel ausgestiegen
ich leg besser schnell mal die Stones auf: i can’t get no satisfaction? (hehe)
Am 31. Juli 2007 um 17:53 Uhr
Oh Gott!
Glücklicherweise gibt es ja ein Überangebot an gerade laufenden Serien, da ist für jede Begeisterungsfähigkeit was dabei.
»Heroes« soll ganz gut sein. ;-)
Am 6. August 2007 um 10:43 Uhr
Nunja, gut gemachte Serien haben halt viel mehr Zeit Charaktere zu entwickeln und interessante Geschichten zu erzählen … Bei Lost bin ich momentan noch dran, Desperate Housewives fand ich schnell langweilig aber meine totaler Favorit war Six Feet Under, das war einfach wirklich „ganz großes Kino“, um es mal so auszudrücken … Ebenso 24, zumindest die ersten drei Staffeln sind besser als jeder Action-Film.
Am 7. August 2007 um 14:37 Uhr
Hi Looza,
die fünf Staffeln Six Feet Under waren wirklich unschlagbar. Der Emotionalitätsorgie in den letzten beiden Folgen der fünften Staffel kann man sich wirklich nicht entziehen – sowas ist einmalig, wie der FAZ-Redakteur das auch beschrieben hat: Wenn man mehr als 60 Zeitstunden mit jemandem bekannt ist, tut es mehr weh als bei einem 1,5-Stunden-Film, wenn er unerwartet stirbt, in diesem Fall eben Nate Fisher.
Mehr zur Serienjunkieness demnächst beim Umblätterer …