Die Manuskriptschicker
Leipzig, 12. August 2007, 23:53 | von PacoAls Aufmacher im Gesellschafts-Teil heute eine schöne investigative Reportage: Martin Wittmann hat einen Pauschalurlaub am Plattensee gebucht, und obwohl es ja im weitesten Sinne um ›Urlaub‹ geht, liest sich sein Bericht teilweise wie Günter Wallraffs »Ganz unten«.
Was man als Sangria saufende Ballermänner kennt, schildert Wittmann nun als Büchsenbier schluckende Balatonmänner, und daher steht sein Artikel »Wo sind die Weiber?« wohl auch nicht im Reise-Teil. Die vom Autor selbst geschossenen Abschreckfotos (S. 51) hätte wohl auch kein »Reise«-Bildredakteur durchgehen lassen. Online gibt es übrigens noch mehr davon.
Als Ausgleich gibt es im Feuilleton ein paar schöne Teaser-Fotos von Alison Jackson (S. 27). Sie fotografiert Doppelgänger von bekannten Menschen und betreibt so schockierend überzeugende alternate history. Das muss man gesehen haben, zum Beispiel auf ihrer Website.
Ansonsten »beschwört« MRR seine Leser, ihm bitte keine Manuskripte mehr zu schicken. Das macht er ja schon seit Jahrzehnten, aber sie schicken ihm weiterhin »auch politische, religiöse und philosophische Werke« (S. 28). MRR sollte die Manuskriptschicker mal an einen Webspace-Provider vermitteln, damit sie endlich ihre Traktate rausblasen können. Da ließe sich bestimmt ein Geschäft machen.
Stefan Niggemeier beschreibt in seiner »Teletext«-Kolumne (S. 32) die Volksmusiksendung »Zauberwelt der Berge« und ihre dramaturgischen Kniffe. Dabei fragt er nach der Überleitungspolizei, die, wie wir wissen, auf besonders misslungene Überleitungen mit irgendwelchen Maßnahmen reagiert. Das ist in diesem Fall laut Niggemeier offenbar nicht geschehen, aber die Arbeit dieser Einsatztruppe ist ja ähnlich mysteriös wie die Arbeit der Titelpolizei.
Und: Peter Richter schreibt einen hervorragenden Nachruf auf Ulrich Plenzdorf (S. 27), dazu vielleicht später mehr. Jetzt muss ich schnellstens ein paar SZs vom Juni/Juli noch mal checken, die Austin gerade vorbeigebracht hat.
Am 14. August 2007 um 01:41 Uhr
»Kann die Queen ein Fahrrad reparieren?« Einen schöneren Direktteaser von der Titelseite mitten hinein ins tiefe Feuilleton gabs ja wohl lange nicht!
Zum besseren Begreifen von (womöglich konzertierten Aktionen durch) Überleitungspolizei und Titelpolizei müsste man vielleicht mal kollektiv »Polizei greift ein« kucken: ein Streifen mit, wenn ich richtig zähle, gleich drei deutschen Alternativtiteln, und gerade gestern auch noch Wikipedia-Artikel des Tages.
Zum Filmabend eingeladen werden möchte dann übrigens auch unbedingt Peter Richter, der die Feuilleton-Öffentlichkeit in einem Artikel über die Biennale di Venezia schon vor zwei Jahren (FAS Nr. 21/2005) über das besonders fiese dritte Corps, die so genannte »Kontextpolizei«, unterrichtet hat:
»Vor allem Thomas Scheibitz ist permanent auf der Hut vor der ›Kontextpolizei‹, wie er diejenigen nennt, die sich mit der Geographie oder der Biographie behelfen, wenn sie das Inhaltliche nicht richtig zu fassen bekommen.«