Botho Strauß & das Autorenporträt
Leipzig, 17. August 2007, 19:58 | von PacoJetzt folgt hier ein kleiner Follow-up-Scoop unsererseits, denn da bisher fast noch niemand wirklich auf den Scoop der »Vanity Fair« reagiert hat, machen wir das jetzt. Es geht um das Botho-Strauß-Porträt von Ingeborg Harms in der Doppelnr. 30/31, S. 136-145.
Seit dem legendären »Anschwellenden Bocksgesang« im »Spiegel« Nr. 6/93 wurde ja jedes von Strauß öffentlich gesetzte Komma sofort in allen anderen Medien aufgegriffen, bekämpft, verhöhnt, verehrt. Bei der VF-Homestory war das irgendwie anders, und das lag natürlich auch am Genre. Vielleicht haben die anderen Medien auch aus Pietät geschwiegen.
Es ist nämlich vielleicht keine gute Idee, als großer Schweiger und Verschwinder eine Homestory in einem Societymagazin machen zu lassen – denn so sehr I. H. auch an einer what-so-ever-Tiefe interessiert ist und sich mit dem Werk von Botho Strauß auseinandersetzt, bringt sie auch all die fitzeligen Beobachtungen, die bei Autorenporträts immer so entlarvend sind, für den Beobachteten wie für den Beobachter, etwa wenn von Strauß‘ »sinnlichem Buddha-Mund« die Rede ist.
Überhaupt ist das Autorenporträt ein Genre, das es zu meiden gilt – als Autor bzw. Autorin. Denn je nach Gusto und Leitlinien des porträtierenden Journalisten wird dann gern jedes ›Hatschi!‹ beschrieben und auf das Werk projiziert. Auch wird der oder die Porträtierte in spärlichen Auszügen zitiert, auf deren Auswahl er oder sie keinerlei Einfluss hat. Bei diesen Snippets wird denn auch kaum ein Originalgedanke durchschimmern können. Da ist ein Interview sicherer. Oder man macht halt den Thomas Pynchon.
Autorenporträts haben schon zu großen Zerwürfnissen geführt, z. B. das schwer auszuhaltende Helmut-Krausser-Porträt von Tilman Krause im »Tagesspiegel« vom 8. Mai 1996 (die Folgen kann man in den Krausser-Tagebüchern und in den Krause-Rezensionen nachlesen).
Interviews werden dagegen auch mal von großen Verweigerern eigens genehmigt. Zuletzt von Ernst Tugendhat, der das im »taz mag« von neulich (28. Juli 2007) erschienene Gespräch in einem Brief an seine Interviewerin Ulrike Herrmann mit den Worten genehmigt hat: »Ich finde den Text jetzt o.k.« Zum Glück, denn das Entretien mit Tugendhat war ein Interview-Highlight des Feuilleton-Jahres.
Hat Botho Strauß eigentlich auch so einen Brief verschickt?
Am 18. August 2007 um 14:55 Uhr
Notiert: „großer Schweiger und Verschwinder“. ;-)