Hans Neuenfels trifft Richard Wagner – häää?
Leipzig, 22. August 2007, 12:30 | von Paco+++ Bevor morgen die neue Ausgabe erscheint +++ Neues von Neuenfels in der letzten »Zeit« +++ Vollkommene Ratlosigkeit beim Leser +++ Wer Wie Was? +++ Die Meldung im Einzelnen:
Es war der Aufmacher des Feuilletons (S. 35 und 36). Der Opernregisseur Hans Neuenfels ist endlich mal in Bayreuth gewesen und schildert nun zunächst mal sehr schön die Reise dorthin.
Schilderungen von Zugfahrten sind immer interessant, so etwas will jeder lesen. Irgendwann kommt aber jeder Zug an, und der Regisseur ist also mittlerweile in Bayreuth und wir mit ihm im Festspielhaus. So weit, so gut.
»Wagner ist unter uns« lautet die (wie sich später herausstellt: irgendwie programmatisch gemeinte) Überschrift des »Zeit«-Textes. Jedenfalls wird Neuenfels beim Nachdenken über Wagner & Bayreuth kurz unterbrochen:
»In der zweiten Pause sollte ich mich im Konferenzzimmer einfinden, wurde mir von einem jungen Mann mitgeteilt. Oder war es ein Knappe?«
Mit dem Wort ›Knappe‹ wechselt der Text schon hinüber in eine irgendwie historisierende Fantastik inklusive Ironie, und tatsächlich, »dann öffnete sich die Tür, und der Meister, er, Richard Wagner war da«.
Neuenfels unterhält sich ein wenig mit Wagner und … Moment, häää? … ich erschrak immer mehr, Neuenfels sieht Zombies im taubtrüben Ginst am Musenhain! Und die »Zeit« druckt es ab!
Bestürzung machte sich breit hinsichtlich dieses brachialen Literarisierungsversuchs. Gibt es eine Goldene Himbeere für die ausgedachteste Fiktion aller Zeiten? Die Bestürzung wich der Ratlosigkeit, ich blätterte um und um und um, bis die »Zeit« zuende war.
Hinterher wandelte sich meine Meinung ein wenig, ich hatte folgenden anerkennenden Gedanken: Da macht der das einfach mal! Sich ein Gepräch mit Richard Wagner ausdenken und dort alles reinpacken, was er vielleicht zu sagen hat.
Ich höre schon Austins »gaaanz schlecht«, und er hätte ja Recht damit. Trotzdem sind solche Brechertexte, also Texte im Feuilleton, die da eigentlich nicht reingehören und die Leseroutine kaputtbrechen, immer mal wieder schön, allerdings natürlich nur im Nachhinein.
Ich werde den Artikel aber nicht weiter erwähnen, sonst werde ich wieder gedisst wie damals, als ich Marcus Jauers Wowereit-Tagebuch gut fand.