Darf man das lesen? (Teil 7: »Vanity Fair«)

auf Reisen, 28. August 2007, 10:02 | von Paco

Man will ja die deutschsprachige »Vanity Fair« schon wegen einiger ihrer Kritiker gut finden. Wer aber auch nur halbwegs mit dem konform geht, was Vargas Llosa neulich in »El País« (und etwas später auch in der S-Zeitung) geschrieben hat, wird die VF nicht lesen dürfen. Darin wird nun mal genau das Entertainment (als Gegenteil von Information, Meinung, Kritik) geliefert, das der zornige Autor anprangert. Aber langsam, erst mal die Basics:

Jede VF-Ausgabe besteht aus den 4 Teilen »Leute«, »Agenda«, »Kultur« und »Stil«. Den ersten Teil, den ganzen »Leute«-Kappes und Jetset-Ennui sollte man gleich übergehen, eine Rubrik wie »Die Partys der Woche« ist nicht mehr als der Vorhof zur »Was macht eigentlich …«-Hölle. Auf den vielen zerhäckselten Seiten mit Fotos und irgendwelchen Ein-Satz-Zitaten von Schauspielerinnen kann man sich auch nicht lange aufhalten, da hat naturgemäß kein Gedanke Platz.

Die IN&OUT-Doppelseite ist übrigens die Hochform dieser Häckselkunst. Dort gibt es ganz rechts außen immerhin einen Pressespiegel, in dem auch mal ein »Merkur«-Artikel erwähnt wird (Nr. 29, S. 15!) – an solchen versteckten Stellen wird deutlich, dass eben Ulf Poschardt Chefredakteur ist und nicht Hinz oder Kunz.

Trotzdem werden die wenigen Feuilleton-Themen, die sich die VF leistet, mitunter extrem boulevardisiert, siehe die Botho-Strauß-Homestory von neulich. Das sind dann oft die im falschen Stil verfassten Texte zum falschen Thema im falschen Medium. Es gibt dann aber doch genügend Ausnahmen, etwa Rainald Goetz‘ Bericht über Peter Steins »Wallenstein«.

Und damit zum Schluss noch das Gute und die Beantwortung der obigen Frage mit »ja«: Die Storys, bei denen der Text auch mal länger ist als eine Seite, sind ein guter Grund dafür, regelmäßiger »Vanity Fair« zu lesen – etwa die Übersetzung des VF-Original-Artikels von Todd Purdum über die »84«, die Bushs, die US-Präsidenten Nr. 41+43 (Nr. 28 vom 5. 7. 2007).

Die VF hat mit ihrem »Kultur«-Chef Volker Corsten, mit Robin Alexander und Andreas Rosenfelder ein paar sehr gute Feuilletonisten dabei. Bei Ingeborg Harms werden sogar einige (leider nicht alle) der Society-Porträts zum interessanten Gegenstand, z. B. das über den römischen Designer (in der VF heißt das freilich durchgehend »Couturier«, hehe) Valentino Garavani – 10 Seiten Fotos und immerhin 2 Seiten Text.

Und Rosenfelders Artikel über die Witwe von Hunter S. Thompson behandelt zwar nicht gerade ein Top-notch-Thema, wäre aber so auch in der »SZ am Wochenende« oder der FAS denkbar. Und der herrliche Artikel von Robin Alexander, der den Bundespräsidenten auf den Balkan begleitet hat (Nr. 29, S. 74-79), könnte genauso gut auch auf der »Seite 3« der S-Zeitung stehen.

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