Böse Räume, böse Zellhaufen:
»1408« und »The Invasion«

Hamburg, 26. Oktober 2007, 09:47 | von San Andreas

Von Zeit zu Zeit lohnt es sich, in den kleineren Kinosälen nach Filmperlen zu fischen, da verstecken sich manchmal kleine, feine Genre-Filme. Meist klein, selten fein, muss man sagen, aber das ist Berufsrisiko.

Die Synopsis der King-Verfilmung »1408« ließ mich gleich an Mr. Halloran denken, wie er seinerzeit den kleinen Danny im Overlook-Hotel warnte:

»There ain’t nothin‘ in Room 237. But you ain’t got no business goin‘ in there anyway. So stay out. You understand? Stay out.«

Das war 1980, »The Shining«. Anno 2007 nun wird John Cusack, seines Zeichens Spuk-Guide-Verfasser, ans Herz gelegt, er möge um Gottes Willen von Zimmer 1408 fernbleiben. Sam Jackson gibt den distinguierten Hotelmanager, dem nur einmal, als Zugeständis an die Fans seiner coolen Sprüche, ein herzhaftes »It’s an evil fucking room.« entfleucht.

Die Warnung wird freilich tunlichst ignoriert, und die Reihe blauer Wunder, die der Gast in Zimmer 1408 erlebt, sind gruseltechnisch überaus effektiv realisiert. Die üblichen Schockmomente aus der Klischeekiste glänzen durch Abwesenheit, an ihrer Stelle gibt es klirrenden Suspense, trockenen Humor, die eine oder andere haarsträubende Überraschung und das wohlige Gefühl des Abdriftens in eine Welt, in der alles möglich scheint.

Der Film packt es tatsächlich, das typische King-Feeling auf die Leinwand zu bringen. Wer erinnert sich nicht: diese fantastischen Geschichten, die wir damals als Halbwüchsige verschlungen haben, die unumwundene Bewunderung für ihren Autor – welche wir heute gern in Abrede stellen.

Aber jeder sollte seine Stephen-King-Phase gehabt haben; sie ist unschätzbar als kribbelnde Initiation in die Welt der Fiktion, in menschliche Abgründe und aufregende Grenzwelten. Und was wäre das Kino ohne die rund 75(!) King-Adaptionen, darunter neben »The Shining« Meisterstücke wie »Misery«, »The Shawshank Redemption«, »Stand by me« und »Carrie«. King-Serientäter Frank Darabont (»Shawshank«, »Green Mile«) hat nun »The Mist« verfilmt, eine meiner Lieblingsgeschichten von damals über eine mysteriöse Gefahr in einer Nebelbank …

Im Film »The Invasion« kommt die Gefahr aus den Tiefen des Alls, eine parasitäre Intelligenz, die Persönlichkeiten ausradiert und aus Menschen seelenlose, gleichgeschaltete Existenzen macht. Die Story (Jack Finneys »Invasion of the Body Snatchers«) wurde schon oft erzählt; sie gilt als Klassiker der metaphorischen SciFi. Die berühmteste Version von 1956 entwickelte als Spiegel der McCarthy-Ära profunde Bezüge – ob das von den Machern gewollt war oder nicht.

Oliver Hirschbiegel, eigentlich unser Mann für starken historischen und psychologischen Tobak (»Das Experiment«, »Der Untergang«), hat in seinem Neuaufguss die Chance auf gesellschaftskritische Doppelböden nun leider vollständig vergeben. Er injiziert dem Stoff stattdessen eine halbgare Moral, die nach hinten losgeht: In einem gestelzten Tischgespräch ergehen sich Quasi-Intellektuelle in einem Lamento über die Niedertracht des Menschen, seine Kriege und Laster.

Der Gegenpol dieser nichtsdestoweniger *normalen* Umstände, das sind in der Realität humanitäre, pazifistische Bewegungen, im Film sind das – Achtung! – die seelenfressenden Invasoren, die ja nebenbei auch sämtliches Unbill beseitigen. Diese Gleichsetzung kann so nicht gemeint sein, steckt aber im Film drin und spricht für dessen Nachlässigkeit in vielen Belangen.

Hirschbiegel mag nicht der Alleinverantwortliche sein; wie man hört, fanden extensive Nachdrehs unter der Regie von James McTeague statt. Vielleicht veranlasste der auch die lachhaften Animationen von bösen Zellhaufen in der Blutbahn.

Die Kidman ist gut, aber Daniel Craigs Rolle besitzt auch vor ihrer Infektion keine bemerkbare Persönlichkeit. Was bleibt, ist eine brave Nacherzählung, so solide wie überflüssig (Slate: »the poor man’s version of suspense«). Man halte sich an das Original, und wer kein schwarz/weiß kucken mag, schaue sich Philip Kaufmans exzellente 1978er Version an, den seltenen Fall eines kongenialen Remakes. Allein wenn ich da an diese eine schaurige Szene mit Donald Sutherland denke … aaah, the horror, the horror!

3 Reaktionen zu “Böse Räume, böse Zellhaufen:
»1408« und »The Invasion«”

  1. Charles Ryder

    Der erste Satz geht irgendwie nicht ganz durch, oder? Ein Film mit John Cusack wird doch nicht im kleinen Saal gezeigt, oder? Höchstens jetzt, weil er schon seit einigen Wochen läuft.

  2. San Andreas

    Hmm, soweit ich mich erinnere, haben zu der Zeit Bourne und die Simpsons die dicken Säle ausgebucht. Und hey – John Cusack ist nun beileibe nicht der A-Liga-Star schlechthin, seine memorablen Hauptrollen (»Being John Malkovich«, »Grosse Point Blank«, »High Fidelity«) sind eine Weile her, waren auch eher indie-mäßig unterwegs, und seine Popularität (bzw. seinen Geldbeutel) hielt er mit ein paar Actiongurken wie »Con Air« und »The Contract« am Leben. Soll er doch, solange er ab und zu noch Klasse in die kleinen Säle bringt.

  3. Charles Ryder

    Auch möglich, in den USA war er jedenfalls relativ groß, aber wahrscheinlich ist Stephen King da auch entsprechend größer.

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