Der Maulwurf in der Kunst
Leipzig, 9. November 2007, 12:25 | von Paco»Friday is the new Sunday« liest man ja ab und zu mal, und deswegen habe ich auch erst heute die FA-Sonntagszeitung gelesen (Ausgabe vom 4. 11. 2007).
Es ist die Ausgabe der Doppelautorschaft wie sie sonst vor allem vom »Spiegel« gepflegt wird. Till Haase und Harald Staun schreiben über die Promotion-Beilagen, im Prinzip nur über die der »Galore«, aber der Artikel wurde auch schon in SP*N zweitverwertet, wo ich ihn natürlich schon am Sonntag weggelesen habe.
Dann aber der Feuilleton-Aufmacher: das Autorenduo Julia Voss / Niklas Maak über »das Jahr des großen Kunstdesasters«, über das ungerechtfertigt große Interesse an der eher schlechten Gegenwartskunst. Da wird mal schön exemplarisch über »das Missverhältnis zwischen dem Pathos der Beschreibung und der Folgenlosigkeit des Objekts« hergezogen.
Anlass ist der Fotozyklus »Kasseler Gärten (aus der Perspektive eines Maulwurfs)« von Martha Rosler. Sie hat Maulwurfshügel fotografiert, und die FAS fragt zu Recht: »Warum?« Und bringt dann eben ein Beispiel für den Beschreibungspathos, der hier die eigentliche Kunst geworden zu sein scheint:
Der Documenta-Katalog erklärt es so: Der Maulwurfshügel sei metaphorisch zu verstehen, im Rasen breche das »lokale Unbewusste« hervor, nämlich: »Zugeschüttete Geschichte: Wiederaufbaupropaganda angesichts der nahen Zonengrenze, Bombenangriffe der Alliierten, die die Stadt in Schutt und Asche legten, Dominanz der Rüstungsindustrie, damals wie heute. Kassel, eine Arbeiterstadt mit hohem Arbeitslosenanteil«.
Dass unser Wappentier, auf das wir nichts kommen lassen, einfach nur l’arte pour l’arte macht, steht da nicht. Der Krtek der Herzen hat ja übrigens offenbar auch bei einem anderen Kunstwerk mitgeholfen, am eingestürzten Türenpalast von Ai Weiwei (wir berichteten).
Als Alternative zum 2007er Kunstschrott nennen die beiden Autoren leider nur H.-U. Obrists »Il tempo del postino« im Opernhaus von Manchester und die Ausstellung »Artempo« im Palazzo Fortuny in Venedig. Beides keine klassischen Museen, und das ist auch der Ausweg, den Voss und Maak sehen, die Kunst müsse weg von den Museumswänden:
Der White Cube wurde für die klassische Moderne erfunden; alternativlos ist er deshalb nicht.
Außerdem plädieren sie für die Vergänglichkeit von Kunst und dagegen, dass immer alles aufbewahrt wird: »Warum darf Kunst nicht mal: verschwinden, verrotten, sich in Luft auflösen, nur im Gedächtnis bleiben?« Also so wie Maulwurfshügel.
Dann gab es noch ein Interview von Julia Encke mit Rossana Rossanda, der Gründerin der besten Zeitung Italiens, »il manifesto«, einer Art taz-Jungle-World-FAZ. Rossanda hat eine Autobiografie geschrieben, die jetzt auf deutsch erscheint, und das Interview ist sehr gut, und redaktionell herausgehoben wurde ihre Bemerkung:
Ich verstehe sehr gut, wenn man bei Ihnen nicht in die CDU oder in die SPD gehen will. Es gibt Aufregenderes.
Dieses Bonmot ist auch gleich die ideelle Vorbereitung für die nächste Seite. Nils Minkmar schreibt über das, was vom SPD-Parteitag bleibt, nämlich nicht viel:
Man muss der Medienöffentlichkeit schon eine bedenklich schlechte Schulbildung zubilligen, wenn man das intrigante Herumschrauben an einigen Sozialgesetzen für links und die Zustimmung eines hochkonditionierten Delegiertenklubs, den Medienvertretern im eigenen Saal im Verhältnis eins zu vier unterlegen, zu einem ohne Gegenkandidaten antretenden, bereits amtierenden Vorsitzenden für fortschrittlich verkaufen möchte.
Auf derselben Seite gibt Reich-Ranicki dann zu, dass er schon seine Autobiografie (erschienen 1999) mit dem Computer geschrieben hat. Günter Grass (»sieben Jahre jünger als ich«!) und Kollege Karasek schrieben dahingegen nicht auf dem neumodischen Apparate. (Das alte Dativ-e ist als Hommage an Johannes Gross zu verstehen bzw. »John Big«, wie ihn Harald Schmidt einmal liebevoll nannte.)
Und dann hat Johanna Adorján noch eine der prägnantesten Kritiken zur »Abbitte«-Verfilmung geschrieben. Wie zurzeit überall ist das Ganze mit einem Foto der schmauchenden Keira Knightley garniert. Der Artikel selber ist aber sehr gut, vor allem in der überzeugenden Einschätzung der drei Schauspielerinnen, die Briony in den verschiedenen Altersstufen spielen: »Den Namen der zweiten muss man sich nicht merken.«
Usw.