Das Gründungsdokument des deutschen Supermarkt-Feuilletons
Konstanz, 13. November 2007, 10:41 | von MarcuccioGroße Freude, als sich mit Alexander Marguier aus dem Gesellschafts-Ressort der FAS endlich mal jemand der deutschen Supermarkt-Misere annahm (»Restlos bedient«, FAS vom 9. 9., S. 57). Ist das jetzt vielleicht das Gründungsdokument des deutschen Supermarkt-Feuilletons, fragte ich mich, denn schon der erste Satz des Artikels sprach mir aus der Seele:
»Merkt das eigentlich keiner oder stört sich nur niemand daran?«
Und weiter:
»Nein, Lebensmittel einzukaufen, das macht in Deutschland oft überhaupt keinen Spaß – erst recht nicht, wenn man weiß, wie es anderswo zugeht.«
Anderswo, das ist für Marguier vor allem Fronkreisch mit seinen fußballfeldgroßen Hypermarchés à la Carrefour & Co. Und fast meint man die Diagnose herauszulesen, die Deutschen hätten zu kleine Supermärkte und zu wenige auf der grünen Wiese.
Egal, Marguier rankt Deutschland auf das Supermarkt-Niveau der Ukraine und denkt bei seinen Verbesserungsvorschlägen grundsätzlich schon in die richtige Richtung: Wo Waren ansprechender präsentiert werden, geben die Leute auch gerne mehr Geld für Lebensmittel aus, und das tun die Deutschen ja am wenigsten von allen Europäern. Soweit, so bekannt.
Nur, dass Marguier dann wirklich dieser Sprühkühlungsmär aufsitzt, setzt seine Supermarkt-Bonität schlagartig zurück auf Null. Denn gerade diese Nebelmaschine, die den Kunden taufrisches Gemüse simulieren soll, tropft doch die knackigsten Salatköpfe regelmäßig bis zur verlässlichen Innenfäule voll.
Sprühkühlungsanlagen sind deshalb, außer dass sie den Verkauf ankurbeln, ebenso gaga wie die irgendwie immer an Ferkelaufzuchtlaternen erinnernden Spotlights, die die Auslage in der bedienten Wursttheke weggrillen.
»Ich weiß, wovon ich spreche«, würde Denis Scheck an dieser Stelle sagen, und ich sage: Wer …
– in Grenznähe zu Swiss Quality »Migros« und »Coop« sozialisiert,
– in Lehr- und Wanderjahren von Leipziger »Spar«-Läden und Römischen »Standa«-Supermercati (von, nun ja, Berlusconi) kontaminiert
– und schließlich vom Tiroler »M-Preis« affiziert wurde,
… der glaubt eben irgendwann an die architektonische, ästhetische und hygienische Überlegenheit der Alpen-Supermärkte (vom Sortiment mal ganz zu schweigen).
Möglicherweise hängt der kultivierte alpennahe Supermarkt-Hochmut aber auch mit der gleichgearteten Wirtshausfrage zusammen, die Michel de Montaigne schon 1580 zugunsten der nördlichen Schweiz, Süddeutschlands und Tirols entschieden hat. Den wunderbaren Hinweis darauf lieferte letzthin Erwin Seitz in seiner Phänomenologie des gemeinen Gasthauses (Beisl, Beizli) in der F-Zeitung vom 20. 10. (Bilder und Zeiten, S. Z 3).
Gastro-Feuilleton ist eben super. Es braucht noch nicht einmal eine Gemüse-Befeuchtung und liest sich schon lecker.
Am 6. Februar 2008 um 01:40 Uhr
[…] Im Feuilletons Blog des Autorenkonsortiums Der Umblätterer fand ich einen unterhaltsamen Beitrag über Sprühkühlungsanlagen in Feuilletonredaktionen mit denen die Angestellten äußerlich frisch gehalten werden, obwohl […]