»Elizabeth – The Golden Age« im Dizengoff-Kino

Tel Aviv, 2. Januar 2008, 00:54 | von Paco

Lazy Sunday, wake up in the late afternoon,
Call Parnell just to see how he’s doin‘.
Hello? – What up, Parns? – Yo Samberg, what’s crackin‘?
You thinkin‘ what I’m thinkin‘? – Narnia! – Man, it’s happenin‘!

(Samberg & Parnell, SNL, 17. 12. 2005)

Ok, war zwar nicht Sonntag heute, aber dafür lazy Neujahr, und wir sahen vorhin nicht die »Narnia«-Verfilmung sondern – und man muss sagen: leider – den neuen »Elizabeth«-Film von Shekhar Kapur.

Es ging im Jahr 1585 los und dauerte zwei Stunden. Im Saal 4 des Top-Floor-Kinos im Dizengoff Center raschelten schon bei unserem Eintreten die Popcorntüten und knisterten die Bonbonbeutel. Das veranlasste noch vor Beginn des eigentlichen Films die Ersten in den vorderen Reihen, sich rumorend umzudrehen und um Ruhe zu bitten.

Es folgten französische Schimpfwörter, hebräische und US-englische Entgegnungen. Es war Stimmung im Saal, der Film lief längst, und vor uns nieste ein Italiener ständig mit halber Rechtsdrehung seine neben ihm sitzende Begleiterin voll. Die schien das nicht zu stören, aber das dauernde krachende Hatschi nötigte Millek schließlich ein »Fucking hell!« ab, und auch ich spürte die Bazillen herüberwabern. Der Italiener verschwand auf Nimmerwiedersehen, einige klatschten ihm den Weg nach draußen.

Nachdem sich die Soap-Ideen des Drehbuchs bereits beträchtlich vermehrt hatten, schrie jemand endlich »Drecksfilm!«, und zwar auf Deutsch, und zwar kurz nachdem die coole Elizabeth angeblich selber Deutsch gesprochen hat mit diesem nervösen habsburgischen Erzherzog. Bei dem Kostümwahn, den der Film exerziert, wirkte das bestürzend grottig, um eine Lieblingsvokabel unseres Lieblings-DLF-Filmkritikers Hans-Ulrich Pönack zu verwenden, genau wie das Spanisch, das am spanischen Hof gesprochen wird, ganz unliebevoll ist das alles gemacht, anders als die Russifizierung neulich in »Eastern Promises«.

Noch bis zum Filmende kamen übrigens Leute in die Vorstellung, die Tür blieb dabei meist offen, sodass von vorne links ständig ein unangenehmes Licht von der Leinwand ablenkte. Die Forderungen nach Schließung der Türe zogen zwar einige Bestätigungsrufe nach sich, aber niemand stand etwa auf, im Gegenteil: Die Rufe wurden schön belacht, als Antwort flogen außerdem leere Tüten durch die Reihen, und der Spaß steigerte sich, als die einzig gute Szene im Film kam, die Kartoffelszene, bei der während einer Audienz der Queen einige Erdäpfel aus der Neuen Welt als rohe Delikatessen verspeist werden.

Bei dieser Szene kicherte es auch von hinten, wo vorher und nachher eine aufgeweckte Israelin ihrem unaufgeweckten Nachbarn ununterbrochen erklärte, wer gleich noch mal Mary Stuart war. Als kurz darauf der Name Heinrichs VIII. mehrmals fiel, geschah das so laut, dass sich einige entfernte Sitznachbarn (gegenüberliegendes Ende der Reihe) bemüßigt fühlten, zu widersprechen.

Der Historikerstreit in den hinteren Reihen ebbte erst ab, als es endlich 1588 war und die spanische Armada eintraf. Zeit wurde es, ein Amerikaner schrie, »I hope the Spaniards kick their lazy butts!«, und genau, nach so viel eigenwilliger Geschichtsverfilmung schien selbst ein Sieg des watschelnden Philipp II. möglich, wir alle hofften, ein Hapoel-Fan münzte einen Fan-Song um auf die Spanier, einige gröhlten mit, der Text passte sehr gut.

Eine erboste Mädchentruppe mit Hadag-Nachash-T-Shirts verließ geschlossen den Saal, als Cate Blanchett wie ein Schluck Wasser in ihrer Ritterrüstung hing und vom Pferd herunter ihre Tilbury-Brandrede hielt. Selten dürfte Pathos so danebengelungen sein, diese Szene war wirklich dermaßen schlecht, dass es einem die berühmten Schuhe auszog.

Am Ende brannte das Bild, na gut, wir waren versöhnlich gestimmt, es war ja vorbei, Elizabeth und England haben nach einem schlechten Spiel gewonnen, dann gab es noch ein paar Abspannsätze über die Nachgeschichte, und diese groß tönenden Abspannsätze waren wieder unterste Kanone, die letzten »What the fuck!«s des Abends erklangen, das Licht ging an, alle sahen sich nach den anderen um, ein schönes Filmerlebnis da oben im Dizengoff-Center, aber empfehlen können wir »Elizabeth« natürlich nicht, hehe.

Eine Reaktion zu “»Elizabeth – The Golden Age« im Dizengoff-Kino”

  1. San Andreas

    Welch schöne Beschreibung eines furchtbaren Kinoabends. Ich hätte es keine Minute in diesem würdelosen Saal ausgehalten. Mich bringt mittlerweile das Knacken eines einzelnen Popcorns auf dem Nebensitz aus der Fassung, und gegen Taco-Duft bin ich allergisch. Auf lärmende Zuspätkommer reagiere ich mit nässendem Ausschlag. Geschwätz von hinten rechts macht mich rasend, Lichtquellen treiben mich zur Verzweiflung. Da wird ein mediokrer Film wie »Golden Age« noch schlechter, der big-screen-Bonus geht völlig flöten. Wie herrlich war das neulich in »3:10 to Yuma«, ein 300er Saal, die Technik hervorragend, und ich der einzige, der EINZIGE Zuschauer, auf dem besten Platz am Platze, allein mit dem Film. Cinema Paradiso.

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