Allegorie und Anarchismus
Tel Aviv, 12. Januar 2008, 12:59 | von PacoAm 22. August 1999 schrieb Lorenz Schröter unter der schönen Überschrift »Emails und die Detektive« einen Beitrag für das mittlerweile verschwundene Gruppenblog »pool«, in dem es um die Techniken des modernen Erzählens geht. Darin:
»Das Überflüssige wegschneiden, schneller beschreiben. Wir sind ja nicht in ›Die Zeit‹. (Man kann bei Artikeln in Die Zeit eine Zigarettenschachtel auf den ersten Absatz legen und landet dann dort, wo der Artikel beginnt. Falls wirklich was drinsteht.)«
Tobias Rüther hat in der heutigen F-Zeitung einen Artikel stehen, der sich einreiht in die Besprechungen der vorgestrigen Diskussion »Regeln oder Anarchie? – Journalismus im www« beim DJV.
Und in Rüthers Text ist es der erste Absatz, den man mit der berühmten Zigarettenschachtel hätte zudecken können. Da er bei seiner allegorischen Einführung den Fehler begeht, die ›Lady‹ mit der ›Mrs.‹ Astor zu velwechsern, hat Don Alphonso leichtes Spiel, seinen Beitrag nicht anhand der Argumentation, sondern anhand seiner schiefen Vergleiche zu verreißen. Zum Inhalt muss Don Alphonso gar nichts mehr sagen, der verreißt sich dann von selbst, das ist die ganz hohe Schule.
Dabei geht Alphonsos Text wie immer unlektoriert ins Netz: »zertritten« steht da statt »zerstritten«, und »Blösdsinns« statt »Blödsinns«. Was widerum für Zeitungen mit Schlussredaktion ein Angriffspunkt wäre, wenn dieser legasthenische Effekt nicht gerade zu Alphonsos Style gehörte und zum auch stilistischen Anarchismus, der sich in Blogs entwickelt hat. Dieser ist überhaupt bei der zunehmenden Blog-Berichterstattung noch nie als konstitutiv beschrieben worden, und so bleibt es dabei, was hier schon vor einem Monat mal stand:
»Ich habe noch in keiner gedruckten Zeitung oder Zeitschrift einen Artikel gelesen, in dem auch nur ansatzweise etwas Wahrhaftiges über die »Webloggerey« (Dietmar Dath) stand.
Was heißt es, Don Alphonso zu lesen? Was heißt es, Rechtschreibprobleme von Kommentarschreibern freudig hinzunehmen? Was heißt es, BILDblog nicht mehr deswegen zu lesen, weil man sich über die »Bild«-Zeitung aufregen will? Was heißt es, wenn man sich bei den Techies von F!XMBR besser über die Lage der SPD informiert fühlt als in den Kommentarspalten der Zeitungen? Usw.
Nichts davon im Feuilleton. Dabei ist es das einzige Zeitungsgenre, das sich erlauben dürfte, so einen Wahnsinn mal adäquat darzustellen.«
Und dann gerne mit ein paar barocken allegorischen Anfangsabsätzen, die von Musen und Erinnyen handeln.
Am 12. Januar 2008 um 13:53 Uhr
ein ministerium muss her und beamte. weblog-beamte du alles prüfen und genehmigen. anders geht es nicht mehr in der heutigen zeit
Am 12. Januar 2008 um 17:26 Uhr
Ich war, als ich heute morgen voller Freude den FAZ-Artikel „Der laute Don“ las, gar nicht auf die Idee gekommen, darüber nachzudenken, ob nun die Lady-Astor-Geschichte historisch belegt oder vielleicht eine Roman- oder Film-Variante ist. Wichtig ist, dass es ein treffendes Bild für die Jornalismus-Blog-Diskussion ist. Interessant ist dann eben auch zu lesen, dass der betroffene die Chance nutzt, sich mit dem Inhalt des Artikels nicht beschäftigen zu müssen.