Weiber-FAS-Nacht: Die FAS vom 3. 2. 2008
Zürich, 3. Februar 2008, 18:12 | von PacoNein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein!!! Bitte kein Feuilleton-Aufmacher über den Karneval in Köln! Bitte, bitte nicht!
Dachte ich zuerst. Peter Richter: »Der Einnahmezustand«, S. 21, Teasertext: »Seit Donnerstag ist wieder Ausnahmezustand in Köln, und das Einzige, was man dagegen tun kann, ist mitmachen«.
Der Text ist aber Erlebnis-Feuilleton der besten Sorte. Richter sagt durchgehend »ich« statt »man«, schon mal gut, und dann hält er als legitimierenden Aufhänger für seine FASnachtsbeteiligung immerhin ein zu rezensierendes Buch in die Höh‘: Petra Pluwatsch, »Weiberfastnacht. Die Geschichte eines ganz besonderen Tages«.
Ok, das Buch ist nur Vorwand, aber ein guter. Am Ende hängt P. R. mit den KiWi-Leuten im »Backes« ab, einer Kneipe in der Südstadt:
Wie die normalerweise aussieht, weiß ich gar nicht, ich kenne sie nur leergeräumt und mit hüpfenden KiWi-Mitarbeiterinnen auf den Bänken.
Denis Scheck ist mit einem Schnappschuss aus der Hüfte vertreten (»als Marilyn-Monroe-Mönch«) und erkennt in Richters Tracht lustigerweise den Oberförster aus EJs »Marmorklippen«. Usw.
Dann haben Andreas Kilb und Peter Körte angenehm umgangssprachlich Mike Nichols interviewt, es geht um Nichols‘ Frühkindheit in Berlin und New York, und überhaupt gibt es schön viele Anekdoten. Anlass fürs Entretien ist natürlich der neue Film »Der Krieg des Charlie Wilson«, aber das merkt man kaum.
Nächste Seite, Claudius Seidl nimmt die Doku »Gegenschuss – Aufbruch der Filmemacher« als Ausgangspunkt, um zu fragen, warum all die deutschen 60er-Jahre-Regisseure des »Jungen deutschen Films« keiner mehr kennt, mit Ausnahme von Fassbinder und Wenders. Er spricht von der »erschreckenden Folgenlosigkeit des deutschen Films«.
Das habe mit der Ablehnung von »Opas Kino« zu tun, so Seidl, »aber dass da zwischen lauter Nieten und Zynikern auch wundervolle Regisseure arbeiteten, Georg Tressler und Hans H. König, Victor Vicas und Robert Siodmak«, habe der »Junge deutsche Film« übersehen.
Dann Literatur, Volker Weidermann über den neuen Roman von Dirk Kurbjuweit, dem Leiter des »Spiegel«-Hauptstadtbüros. Geht um eine heimliche Affäre im unheimlichen politischen Berlin.
Auf derselben Seite »Fragen Sie Reich-Ranicki«, Mann Mann Mann Mann Mann, die Einrichtung eines solchen literaturkritischen Kramladens erscheint mir immer plausibler, sowas wollen ›die Leute‹ lesen, ich will das lesen, das ist so geil. Allein diese Frage heute …
»Wäre es nicht einmal an der Zeit, die wahre Geschichte der Gruppe 47 zu schreiben? (…) Wer war mit wem im Bett, wer intrigierte am geschicktesten? Das wäre doch endlich mal interessant.« (ein Leser aus Saarbrücken)
… bringt mich auf den Vorschlag, demnächst mal nur die Fragen abzudrucken und keine einzige Antwort. Überhaupt war es am Ende doch eine gute Entscheidung, letzthin mehrere kurze Fragen/Antworten in die Rubrik zu drucken als nur eine einzige, ausführlichere.
Dann Eberhard Rathgeb über »Handwerk«, den neuen Richard Sennett. Im Text dankenswerterweise auch ein Rundown wichtiger vorhergehender Sennett-Studien:
»Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität« (dt. 1983)
»Autorität« (dt. 1985)
»Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds« (dt. 1991)
»Fleisch und Stein. Der Körper und die Stadt in der westlichen Zivilisation« (dt. 1995)
»Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus« (dt. 1998)
»Respekt im Zeitalter der Ungleichheit« (dt. 2004)
Ja, na ja, sagt man zu den einzelnen Beschreibungssätzen pro Werk, aber solche Auffrischungskuren sind Gold wert. Hervorragender Nebeneffekt hervorragenden Feuilletons.
Dann kommt noch ein Interview von Peer Schader mit Fred Kogel. Es geht, ähm, genau, vor allem natürlich um Fred Kogel. Und die Produktionen der Constantin (sie »muss als börsennotierte Gesellschaft auch eine gewisse Berechenbarkeit liefern: Literaturverfilmungen, familientaugliche Produktionen, internationales Starkino und kommerzielles Arthouse«).
Auch ein Satz zu den deutschen Seriendesastern gibt es:
»Auch für mich ist es nur zum Teil nachvollziehbar, wie eindeutig derzeit die Zuschauer Absagen an deutsche Serien erteilen. Das sind ja nicht alles schlechte Produkte.«
Kogel sieht auf dem mitgelieferten sympathischen Foto übrigens aus wie ein Startenor mit wallendem Haar, und der Himmel über Fred Kogel ist genauso hellblau wie hier in Zürich, Schiffländeplatz, wo ich in 1 Stunde und 42 Minuten das FAS-Feuilleton weglas.