Wilhelm Ostwald und die drehbare Étagère
Leipzig, 3. April 2008, 07:56 | von PacoÜber Wilhelm Ostwald wird eigentlich nicht mehr in fachfremder Presse berichtet, über das Leipziger Wilhelm-Ostwald-Gymnasium hingegen schon, so wie vorletzte Woche auf SP*N (22. 3. 2008).
(Das war eine Reprise des »Spiegel«-Artikels der Ausgabe 21/2005, S. 172-174, der vom selben Autor stammt, Manfred Dworschak. Recap: Begabtengymnasium mit auch international erfolgreichen Schülern. Wettbewerbsgeist werde gefördert. Frontalunterricht können die alle ab, weil das für sie nur die Vorstufe zur Praxis sei. Ein Lob der DDR, die mit Begabten kein Problem hatte. Im Westen sei das Wort Begabung immer noch verdächtig. Usw.)
Am Wochenende fand ich aber eine genuine Wilhelm-Ostwald-Stelle. Der 2004 erschienene dtv-Band »Bücher sammeln« von Klaus Walther hatte auf meinem To-do-Stapel obenauf gelegen und wurde von mir also endlich weggelesen. Das Buch ist ein wenig onkelig geschrieben, was beim Thema Bibliophilie wahrscheinlich auch Teil des Plans ist. Es liefert aber auch viele ganz hervorragende Anekdoten, unter anderem diese:
»Wilhelm Ostwald, der erste deutsche Nobelpreisträger für Chemie, ließ einst in Großbothen bei Leipzig die Fundamente seines Landsitzes verstärken, damit er seine Bibliothek dort unterbringen konnte. Die vierzigtausend Bände hätten ansonsten das Gebäude den Hang hinuntergezogen. Ostwald war ganz sicher kein Bibliomane oder gar ein Bibliophiler, er war ein leidenschaftlicher Organisator wissenschaftlicher Arbeit. Dass er seine Büchermassen um sich hortete, verzeichnete er unter dem Lebensbegriff ›Energieeinsparung‹, die er bis in komische Details betrieb. So musste auf dem Esstisch immer eine jener drehbaren Etageren stehen, damit sich jeder Tischgast wortlos die Butter oder den Käse heranholen konnte. Das Tischgespräch wurde nicht durch so profane Einwürfe wie ›Geben Sie mir doch bitte die Butter‹ unterbrochen. Man sparte damit Energie, wie Ostwald meinte. Nun ja, so weit kann man es mit Energieeinsparung treiben.« (S. 12-13)
Die drehbare Étagère, das klingt sofort irgendwie sprichwörtlich. Was für ein Utensil! Wenn wir nicht schon ein Wappentier hätten, wäre sie ein heißer Kandidat, hehe.
Am 4. April 2008 um 00:56 Uhr
Jetzt weiß ich endlich wer mein Klaus Walter Buch hat!
Seit über einem Jahr habe ich jemand anders im Visier, mehrmals nachgefragt, nie geglaubt. Ich habe sogar mit Larry Davids „Indianerblick“ nachgebohrt, nichts geholfen, kein Wunder.
Naja, immerhin hast du es jetzt wenigstens gelesen … ach so, du hast nicht zufällig auch noch meine signierte Ausgabe von Ellis »Lunar Park«, hehe.
Am 4. April 2008 um 01:15 Uhr
ach ja, und ich dachte irngwie die ganze zeit, das wäre von millek? ich habe ihm das buch gestern »zurück«gegeben, er hat es auch genommen und gesagt »wird ja zeit«. »lunar park« hab ich auch noch, klar, ich dachte, du hast das vergessen, hehe.
Am 4. April 2008 um 15:27 Uhr
Schon Buster Keaton hat für sein Einzimmerhaus die Rituale des gemeinsamen Mahls durch das Werk tadellos geölter Scharniere und elastischer Kordeln ersetzt (http://www.youtube.com/watch?v=IgpQ-K7n2uc).
Bei ihm mag sowas komisch sein, utopisch-modern und – in einem Stummfilm, wo man sich nur schwer über Butter oder Käse verständigen kann – auch sinnvoll. Die real existente drehbare Etagère bereitet dagegen nichts als Alpdrücken, furchtbares Alpdrücken.
Am 4. April 2008 um 16:02 Uhr
wieso das denn? also erstens ist die oswald-anekdote gut 100 jahre alt, auf jeden fall älter als der keaton-film. und zweitens weiß man ja oft nicht, was hinter so einer anekdote wirklich steckt. sicher nichts, was albdrücken verursachen sollte.