Das Spiel ein Traum: »Lost – Via Domus«
Leipzig, 8. April 2008, 09:56 | von PacoLudere necesse est, soll Pompeius so oder ähnlich gesagt haben, und außerdem pausiert die 4. »Lost«-Staffel gerade einen Monat. Also habe ich mir kurz das Spiel zur Serie installiert und am wetterwendischen Sonntag in einem Rutsch durchgespielt: »Lost – Via Domus«, erschienen Ende Februar.
Von der Story her ist die Übersetzung des »Lost«-Konzepts in die Spielewelt gelungen. Da die zu erwartenden Ausmaße des Serienendes nicht mal ansatzweise absehbar sind, haben die Ubisoft-Entwickler vor allem auf das Look & Feel der Serie gesetzt und drumherum eine eigene Geschichte erzählt. Hier beginnen jetzt auch die Spoiler:
Elliott Maslow heißt die Figur, die durchs Spiel gesteuert wird. Sieht ein bisschen aus wie Jack, ist aber ein Fotograf mit Amnesie, der im Laufe seiner Gedächtnisrückgewinnung skrupellose Seiten zeigt wie fast alle aus dem TV schon bekannten Mitabgestürzten. Für ein gelungenes Foto würde er alles tun, und das meint in der Konsequenz, dass er dafür sogar seine Freundin Lisa Gellhorn opfern würde, was auch geschieht. Sie wird vom finsteren Forschungsgangster Savo erschossen, während Elliott das Ganze in einem Versteck beobachtet und lieber ein Beweisfoto macht statt zu helfen.
Logikorgien am Schaltkasten
Insgesamt gibt es in »Via Domus« 7 Level, die dramaturgisch mehr oder weniger ausgestattet sind wie eine »Lost«-TV-Episode. Es gibt den bekannten »previously on Lost«-Vorspann, dasselbe kurze In- und Outro, einen Cliffhanger und vor allem die figurenzentrierten Flashbacks, die für die Serie so konstitutiv sind. Sie wurden auch in Gameplay umgesetzt: Mit einer Kamera muss man immer wieder vergangenes Geschehen im richtigen Maßstab und mit der korrekten Schärfe fotografieren, bis irgendwelche Erinnerungsfetzen auszumachen sind. Na ja.
Aber das hauptsächlichste Element des Spiels sind die Logikorgien am Schaltkasten. Ständig muss man irgendwelche Relais so einpassen, dass ein Mechanismus ausgelöst wird, seien das Türen oder andere Dinge. Es gibt auch zwei Jump’n’Run-Einlagen, die aber extremst leicht zu meistern sind. Eine Herausforderung ist das Spiel sicher nicht. Die Level müssen außerdem arg linear durchstreift werden, nach großen Abwegen sucht man vergebens.
Damit sich der Schwierigkeitsgrad ein wenig erhöhte, hatte sich unser Wappentier kurzzeitig vor dem Screen positioniert. Hier sind wir am Ende von Level 5, unser Maulwurf und Elliott kucken gemeinsam auf einen Computerschirm, auf dem gleich ein alberner IQ-Test gemacht werden muss, damit der Reaktor abgeschaltet wird:
Zurück zur Story. Die anderen Survivors misstrauen Elliott und halten ihn teilweise sogar für einen Other, was natürlich inakzeptabel ist (wir wissen, was mit Ethan und Goodwin passiert ist, hehe). Am Ende macht er aber tatsächlich den Michael, indem er mit den Others einen Deal abschließt. Er serviert ihnen Jack, dafür darf er mit einem Boot nach Hause reisen, wie Michael. Er soll auch demselben Kurs folgen wie dieser (325). Anders als Michael entscheidet er sich aber kurzfristig dafür, den Losties zu helfen, die ihm wiederum bei der Schlussverfolgung durch die Others zur Hand gehen, sodass er ohne Probleme sein Boot erreicht.
We’re the good guys, duuude!
Während des Spiels trifft man übrigens auf einige der TV-Losties, vor allem am Midsection Beach. Sawyer ist gewohnt abweisend, Hurley haut einem sein »Duuude!« um die Ohren, und Jin redet nur Koreanisch und ist daher keine große Hilfe. Viele Figuren bekommen nur einen Alibi-Auftritt. Wenn man sie nicht aus der Serie kennt, wird man storymäßig völlig alleingelassen.
Ben taucht erstmals am Ende von Level 2 auf, natürlich mit dem schönen Satz: »We’re the good guys.« Hernach hat er nicht mehr viel zu vermelden, wir sehen ihn nur noch mal kurz bei der Anstiftung zum Verrat gegen Jack. Von seinem beschwingt-maliziösen Wesen kriegen wir gar nichts mit.
Trotz allem macht sich teilweise so etwas wie Stimmung breit. Es beginnt beim Dharma-Ladezeichen. Spätestens wenn man im Hatch die Zahlenkombination 4 8 15 16 23 42 in den Uralt-Computer hacken muss, damit der Bunker nicht in die Luft fliegt, kehrt Atmosphäre ein. Am Anfang von Level 5 wird man dann in derselben Kammer gefangen gehalten wie Ben in der 2. Staffel. Der Hatch selber ist auch stimmig nachgebildet. Ebenso das Black Smoke Monster, das einen gern mal am Schlafittchen packt und ins Game Over befördert.
Ansonsten zerrt das eintönige schwere Geigenthema etwas an den Nerven. Die Grafik ist für meine 8800 GT kein Problem, eher für die Augen. Wenn man »Crysis« gewöhnt ist, wirken die Figurenbewegungen recht ruppig.
Das Spiel ein Traum?
Große Diskussionen hat die ambivalente Endsequenz hervorgerufen. Elliott beobachtet bei seiner Abreise von der Insel den gleichen Flugzeugabsturz noch einmal, den er auch als Passagier mitgemacht hat. Plötzlich befindet er sich wieder lädiert am Strand. Die totgeglaubte Lisa kommt angerannt, sie lebt und freut sich. Hä? Verunsicherung.
»Alles nur ein Traum?«, fragen enttäuschte Fans im Netz reihenweise. Andere meinen, dieses komische Happy End könnte mit dem Zeitreisenthema aus der »Lost«-Folge 4.05 zu tun haben. Wieder andere halten den Schluss für die verrätselte Vorbereitung eines Sequels.
Dass Elliott trotz seiner Abreise letztlich wieder auf der Insel landet, folgt aber ganz deutlich dem bekannten Dialog aus Novalis‘ »Heinrich von Ofterdingen«: »›Wo gehen wir denn hin?‹ ›Immer nach Hause.‹«
Es könnte sich bei dem Ende aber auch einfach um Mindfuck handeln. Das Subgenre hat ja auch in der Serie seine Heimat. Wenn man das dann erkannt hat, kann man das Spiel endlich frisch deinstallieren und sich anderen schönen Dingen widmen. Zum Beispiel einer Runde Public mit »Call of Duty 4«.