Caravaggio – Kunstgeschichte, Krimi und Rom

London, 16. April 2008, 19:28 | von Dique

Ich lese gerade das Buch »The Lost Painting« (2005) von Jonathan Harr, so ziemlich das Beste, was ich seit einer ganzen Weile in die Finger bekam (NYT-Review und 1. Kapitel). »He could retire after writing this book«, schreibt ein anderer Fan über Harr. Es geht um Caravaggios »The Taking of Christ«, welches jahrelang als verschollen galt und heute in der National Gallery in Dublin hängt.

Harr schreibt in journalistischer Berichtsform, ein bisschen »spiegelig«, über die Ereignisse, die zur Auffindung des Bildes führten, natürlich beginnend in Rom und mit Denis Mahon, einem der wichtigsten Caravaggio-Experten, wie er gerade über die Piazza della Rotonda am Pantheon zu seinem Stammlokal »Da Fortunato« spaziert, um im kleinen Kreis ein Mahl einzunehmen.

Dann lässt ihn der Autor mit der Geschichte beginnen, ein ganz klassisches Setup, ein bisschen wie »1001 Nacht«. Ein Erzähler beginnt, gibt den Rahmen vor, und dann gleitet man in die Geschichte.

So fängt zum Beispiel der Film »Der Dieb von Bagdad« (1940) an oder »Sindbad der Seefahrer« (1947), ohne Zyklopen, dafür mit dem Schurken Melik, der viel bedrohlicher ist als die zyklopischen Pappkameraden von Ray Harryhausen. Die Melik-Figur erinnert mich ein bisschen an Ben von der »Lost«-Insel, die undurchsichtige Gestalt im Hintergrund. Unendlich fortsetzbare Assoziationskette.

Aber zurück: »The Lost Painting« ist auch deshalb edel, weil ich gerade ein anderes Buch über Denis Mahons Gemäldesammlung gelesen habe (vieles davon hängt hier jetzt in der Londoner National Gallery). Irgendwann in den Siebzigern hörte Mahon einfach auf, Bilder zu kaufen. Italienischer Barock wurde wieder populär und die Bilder teuer wie die Sünde.

Weiter heißt es im Buch, dass Mahon nie selbst einen Caravaggio besessen hat. Diese Information stimmt so nicht mehr, denn eine von ihm vor kurzem (2006) für £50,000 gekaufte Kopie des »Falschspieler«-Bildes von Caravaggio entpuppte sich ein Jahr später als Original und soll nun um die £50 Mio. wert sein.

Nichtsdestotrotz ist das Harr-Buch ein toller Mix aus Kunstgeschichte, Krimi und Rom. Vom Style erinnert es mich komischerweise an Graysmiths »Zodiac«, weil das eben auch in diesem »Spiegel«-präzisen Style daherkommt.

Usw.

Eine Reaktion zu “Caravaggio – Kunstgeschichte, Krimi und Rom”

  1. Paco

    walter slezak, der den melik spielt, war übrigens natürlich der böse deutsche kaleun willy in hitchcocks »lifeboat«. usw.

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