Jochen Hörisch / Burkhard Müller:
Schon wieder Neues vom 1. FC Feuilleton
Göttingen, 18. April 2008, 16:45 | von Paco
Die Halbwelt tritt ins Licht. Hatte man denken können, wenn man so den Schlagabtausch beobachtete, den sich der SZ-Rezensent Burkhard Müller und der Lit.wiss.ler Jochen Hörisch letzte Woche beim Perlentaucher geliefert haben. Jetzt kommen sie aus ihren Genres herausgekrochen, die Bücherveröffentlicher, die Rezensenten.
Kaum hatte Marcuccio an dieser Stelle über den 1. FC Feuilleton geschrieben, lief das Team also wieder auf und sorgte für ein unterhaltsames, spannendes Spiel. Die Fußballmetapher benutzt auch Malte Dahlgrün vom »Dummy«-Blog in seiner äußerst treffenden Nachlese zum Schlagabtausch, bei der er uns auch einige herrlich feierbare Formulierungen schenkt, bitte unbedingt lesen: »Actionkino im Meta-Feuilleton«.
Im Institut war die Zeit zwischen dem 6. und 14. April ein stetiges Warten auf den nächsten Beitrag. Es kam zu jauchzenden Jubelrufen am Kaffeeautomaten, wenn jemand durch die Gänge brüllte: »Replik Hörisch!«, »Müller hat nachgeliefert!«
Der Perlentaucher hatte das genau richtige Gespür, als er Hörischs offene Mail publizierte. Dass die beiden Sparringspartner am Ende der Debatte die neuen Möglichkeiten des sogenannten »Internets« hervorhoben, klang dann auch nur deshalb so altbacken, weil eine Institution, wie es die Zeitschrift »Der Antikriticus« im 18. Jahrhundert war, längst überfällig ist.
Allzu innovativ war das Online-Scharmützel allerdings nicht. Ich erinnere an das ebenso herrliche Hin und Her zwischen dem Romancier Raoul Schrott und seinem Kritiker Wendelin Schmidt-Dengler vor ein paar Jahren:
Schmidt-Dengler hatte am 11. 10. 2003 in der österreichischen »Presse« Schrotts Roman »Tristan da Cunha« verrissen. Einige Wochen später erschien dann, ähnlich wie im Fall Hörisch/Müller ein Verriss des Verrisses durch den verrissenen Autor. Auch damals reagierte der auf diese Weise kritisierte Kritiker.
Der gesamte Schlagabtausch war mal hier auf der Website der »Volltext« dokumentiert. Der Online-Auftritt der immer noch besten deutschsprachigen Literaturzeitschrift ist allerdings mittlerweile leider irgendwie eingeschlafen.
Usw.
Am 28. April 2008 um 22:55 Uhr
Grüß Dich… Ist dieser „Antikriticus“ nach Deinem Wissen eigentlich die einzige Zeitschrift gewesen, die sich Rezensentenkritiken widmete?
Am 28. April 2008 um 23:22 Uhr
Als dezidiertes Kritikkritik-Organ ist der Antikriticus meines Wissens singulär im dt. Sprachraum. Auf jeden Fall ist er ein deutlicher Vorläufer der neuen Tendenzen:
So steht es in der ausführlichen Rezension des »Antikriticus«, die die »Allg. Dt. Bibliothek« 1769 veranstaltet hat. Ich habe diesen Text vor Jahren mal digitalisiert, weil es zum Antikriticus nur relativ wenige zeitgenössische Zeugnisse gibt und auch die Forschung ihn bisher nur zaghaft ins Visier genommen hat.
Dabei ist die Idee so heutig, man könnte fast denken, der Perlentaucher habe einfach mal eine Idee geklaut, hehe, wenn man das hier so liest:
Die Originalhefte des Antikriticus (auch: Antikritikus, Anticriticus) sind relativ rar, nicht jede gute Bibliothek scheint sie mehr zu haben, und Google Books hat sie offenbar eingelesen, zeigt aber die Inhalte nicht an.