Fußball-Feuilleton (Teil 2):
Alles außer Hochdeutsch. Heute: Der Baselbieter
Konstanz, 26. Mai 2008, 10:13 | von Marcuccio
Warum ich von der Eurokolumne der taz so begeistert bin? Kann ich erklären. Da war, gleich in der Auftaktfolge, dieses Foto, das Ottmar Hitzfeld zum »Baselbieter« deklarierte. Baselbieter, Baselbieter. Dieses Wort einfach mal so als Bildlegende einer bundesdeutschen Tageszeitung, ohne dass irgendeine Schlussredaktion das wegredigiert hätte, das spricht absolut für die taz. Denn kaum ein Nichtschweizer weiß, was ein Baselbieter ist: Selbst im nahen Baden-Württemberg dürften nicht viele was mit dem Begriff anfangen können.
Ein Baselbieter kann nur jemand aus dem Kanton Basel-Land sein, und deswegen ist die Idee, Hitzfeld, der aus Lörrach stammt, zum quasi deutschen Baselbieter zu erklären, natürlich eine ganz wunderbare staatsgeografische contradictio in adiecto. Und doch viel mehr als das: Am deutschen Hochrhein spricht man alles außer Hochdeutsch, und wer Hitzfeld jemals hochalemannisch parlierend im Schweizer Fernsehen erlebt hat, der begreift erst, wie bedenkenlos die Eidgenossen ihn, und nur ihn, als ersten Deutschen überhaupt zum zukünftigen Schweizer Nationalcoach verpflichten konnten. Denn der typische Deutsche, der nur Schriftdeutsch kann, ist Hitzfeld eben gerade nicht.
Nur rein statistisch trägt er deshalb auch zur deutschen Gastarbeiterschwemme bei. Wie Tobi Müller in schönen Sätzen zu berichten weiß, machen es die vielen Teutonen den Schweizern ja nicht gerade leicht:
Seit im Land eine Umschichtung in der Zuwanderung von Norden nach Süden einsetzt, seit hochqualifizierte Deutsche en masse in die Schweiz ziehen und die Italiener als größte Einwanderergruppe, zumindest in Zürich, abgelöst haben, seither hört man auch in linksliberalen Kreisen Dinge, die man über Italiener nie gehört hat. Früher hielt man sich ja stets an Max Frisch: Man rief Arbeiter, und es kamen Menschen. Für die Deutschen übersetzt heißt das heute: Man rief Arbeiter, und es kamen Chefärzte. Und: Die sich dann auch noch erfrechen, sich wie solche zu benehmen.
Hitzfeld hingegen ist so etwas wie der lebende Beweis dafür, dass auch deutsche Integration in der Schweiz möglich ist – wenn die Mund- und Umgangsart stimmt, denn an der Sprache hängt nicht alles, aber doch so viel im deutsch-schweizerischen Verhältnis. Insofern ist dem taz-Artikel mit der Ernennung Hitzfelds zum ›Baselbieter h.c.‹ eine schöne Chiffre gelungen.
Am 2. Juni 2008 um 16:41 Uhr
Schöner Beitrag, aber eine kleine Korrektur ist anzubringen. Hitzfeld wird nicht der erste deutsche Trainer der Schweizer Nationalmannschaft sein. Sie vergessen hier Uli Stielike, denn das „Sakko des Grauens“ war von Juni 1989 bis November 1991 (mit positiver Punktebilanz!) Nationaltrainer der Schweiz.
Am 3. Juni 2008 um 08:53 Uhr
Stimmt, Stielike, den hatte ich – vermutlich wegen seiner hiesigen Beteiligung an der Ära Ribbeck – glatt verdrängt. Aber für die Nati war Stielike demnach tatsächlich ein kurzer Heilsbringer (1:0 gegen Brasilien!) und Überwinder des fußballerischen „Röstigrabens“ noch dazu. Röstigraben finde ich übrigens fast so ein schönes CH-Chiffre-Wort wie Baselbieter, aber das nur am Rande. Merci für den Hinweis!