Robert Hughes: Caravaggio (1975)

London, 19. Juni 2008, 08:29 | von Paco

Giorgio Vasari hat leider nicht lange genug gelebt, um auch die Vita des Caravaggio zu beschreiben. Also hat das der herrliche Robert Hughes mehr als 350 Jahre nach C.s Tod übernommen, natürlich nicht als Erster oder Einziger, aber als einer der kurzweiligsten Biographers.

In Vorbereitung auf den Italien-Betriebsausflug der Umblätterer-Squadra hatte ich mir noch mal Hughes‘ TV-Doku »Caravaggio« angesehen, die 75 Minuten lang ist und auch irgendwo in 7 Teilen auf YouTube rumfliegt.

In der Doku sehen wir Hughes in Jeans auftreten, in einem weiß-rosa Streifenhemd, manchmal mit einer Jeansjacke drüber, und einem fetten Staubwedel als Frisur (es waren die 70er). Damit mag der Porträtist heute wie ein Hallodri wirken – kunsthistorisch gesehen macht Hughes auf alte Schule: Der Australien-born Kunstkritiker und langjährige »Time«-Autor hatte in einem Interview vom Mai 1997 mal jeglichen Kommentar zu interaktiver Videokunst und dergleichen abgelehnt, mit den Worten: »I just don’t know. I’m a print asshole. I’m a paint boy.« (salon.com)

In seiner Annäherung an Michelangelo Merisi weist er zunächst jegliche biografische Sicherheiten von sich: »We don’t know how or why Caravaggio became a painter.« Mehrfach lobt er dann überschwänglich die realistische Malweise und den plastischen Eindruck, den bestimmte Gemäldeausschnitte beim Betrachter hinterlassen – diese Effekte sind auch ungeschulten Museumsbesuchern sofort vermittelbar und dürften noch immer erheblich zur Vermittelbarkeit und Popularität des Malers beitragen.

Ich selber habe vor einigen Jahren das Gerücht gehört, dass sich vor dem »Supper at Emmaus« in der Londoner National Gallery mal jemand am visuell herausgestreckten Ellenbogen des links vom Betrachter sitzenden Tischgenossen gestoßen haben soll. Hughes zeigt uns nun dieselbe Stelle und weist auf die Löchrigkeit der aus dem Bild ragenden Kleidung hin.

Dann wird Caravaggio von Hughes vor allem noch als »connaisseur of violence« verstanden. Dafür wird uns das »Sacrifice of Isaac« präsentiert. In der Uffizien-Variante des Themas drückt Abraham seinen Sohn derb gegen den Boden: »Only a connaisseur of violence would show you that thick implacable thumb forcing Isaac’s head down on the altar, and that squalling mouth.«

Als weiteres Beispiel führt Hughes das Blutrunst-Bild schlechthin an, die Judith, wie sie Holofernes den Kopf bereits zur Hälfte abgeschnitten hat (im Palazzo Barberini, neulich schon von Dique erwähnt). Sowas widersprach natürlich dem Decorum-Gedanken der Kirchenleute, das ist was ganz anderes als Gerhard Richters bunte Glasfenster für den Kölner Dom, hehe.

Und dann ist die Hughes-Doku auch noch ein Stelldichein dieser britischen Überbetonung und beschert uns folgende Klangerlebnisse, ganz im Sinne des neulich beobachteten graw-tsee-yeah und des Titelhelden der Doku selber, »Kerewartscho«:

  • Majkilendschelo.
  • Tischen.
  • Louränsoh Lattoh.
  • Dschordschionäj.

Usw.

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