Slayer und Caravaggio

London, 21. Juni 2008, 18:21 | von Dique

Ich höre gerade Possessed, diesen völlig geilen 80er-Jahre-Death-Metal. Es ist die erste Scheibe, »Seven Churches« von 1985, und die ist so hammergut. Der Nachfolger »Beyond the Gates« ist nicht der Rede wert und nach einer darauf folgenden EP, die ich nicht kenne, barst die Band Ende der 80er auseinander.

Ich habe »Seven Churches« seit 15 Jahren nicht gehört, oder länger, und nun zufällig an diesem römischen Antiquariatsstand geangelt. Dieser Hammerstoff haut einen immer noch um. Er ist ein bisschen ein anderes Kaliber, aber grundsätzlich nicht schlechter als das 85er Slayer-Album »Hell Awaits«.

Das war die erste Slayer-Platte von ungeheurer Qualität, viel reifer als »Show No Mercy«, die Debütscheibe von 83, die noch sehr Speed-Metal-mäßig war.

Dazwischen gab es noch zwei EPs, »Haunting the Chapel« und das gefakte Live-Album »Live Undead«, na ja, nicht erwähnenswert dieser Schrott, wobei die Live-Version von »Die By The Sword« schon was hat.

Nach »Hell Awaits« kam dann 86 das unschlagbare Album »Reign in Blood«, unerreicht in seiner Qualität, jedenfalls nicht mehr von Slayer. Die Band wusste das selber und trieb sich danach in für ihre Maßstäbe seichteren Gewässern herum, mit den ruhigeren Alben »South of Heaven« und »Seasons in the Abyss«.

Erst Sepultura konnte 91 mit »Arise« aufschließen, obwohl hier gern, nicht ganz unberechtigt, der Kopiervorwurf kommt. Die Stücke sind länger als die der »Reign in Blood«, aber sie werden ähnlich hart und gnadenlos durchgeprügelt.

Und da bin ich dann wieder bei Caravaggio, denn Hughes sagt in der vorgestern von Paco erwähnten Doku, dass erst ein Rembrandt oder ein Velázquez wieder an Caravaggio anknüpfen konnte, den Faden aufnehmen und weiterspinnen, und Recht hat er:

»Now in the event all that the Caravaggisti could imitate was the shell and stage props of Caravaggio’s work. And the real lesson to be drawn from his art, that extraordinary overlap between epiphanies and ordinary substances needed a Velázquez, or a Georges de la Tour, or a Rembrandt to carry it on and complete it.«

Der Link auf Velázquez ist natürlich klar, und überhaupt wäre das »goldene Zeitalter« der spanischen Malerei ohne Caravaggio kaum denkbar. Lange dachte ich ganz vage, dass Ribera die wichtigste Verbindung zu dessen Stil war, der zwar in Spanien geboren wurde, sich aber lange in Neapel aufhielt, wie Caravaggio.

In Neapel wurde die Hell-Dunkel-Malerei, das Chiaroscuro, ziemlich kultiviert, viele der so genannten Caravaggisti stammen aus dieser Gegend. Aber ein viel wichtigeres Bindeglied von Italien nach Spanien ist, zumindest nach Jonathan Brown (»Painting in Spain, 1500-1700«, 1998), Juan Bautista Maíno, der noch zu Caravaggios Lebzeiten 8 Jahre in Italien verbrachte.

Fazit: Es brauchte einen Rembrandt und einen Velázquez (und Georges de la Tour, jawohl!), um den Caravaggio-Style wirklich weiterzutreiben, und weniger die ungezählten Caravaggisti, und so ist das auch bei Slayer und Sepultura, und das kann man doch einfach mal so in den Raum stellen, als eine Art »useful bon mot«, wie neulich jemand sagte.

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