»Youth Without Youth«:
Helft mir nicht, ich bin Coppola!

Reykjavík, 23. Juli 2008, 12:57 | von San Andreas

Im Redaktionssystem fand ich eben folgenden Entwurf von Paco und die Frage, ob den »bitte irgendjemand« weiterschreiben kann:

Grad gesehen, den neuen Francis Ford Coppola. Hat einige harsh reviews abgekriegt, teils zu Recht. Ich fand die erste Stunde sehr verheißungsvoll, aber dann, sobald Alexandra Maria Lara und ihre Shanti-Gesänge ins Geschehen rücken, wird es schwierig. Hab trotzdem versucht zu folgen, irgendwann wollte ich aber nicht mehr. Am Ende reihen sich nur noch bedeutungsheischende Bilder aneinander.

Sehr nervig fand ich vor allem dieses zweite Tim-Roth-Ich, das ab und zu mal schräg ins Bild kuckt. Das hat bei »Heroes« besser funktioniert (ich meine Niki und ihr alter ego Jessica, das immer mal wieder heftig ausrastet).

Das linguistische Hauptthema, die Suche nach der Ursprache, ist an sich ja interessant, aber wohl nicht leicht verfilmbar. Schon vor ein paar hundert Jahren war das immer mal wieder eine beliebte Preisfrage, an der man sich lustvoll abarbeitete. Lustigerweise hielt zum Beispiel Friedrich Schlegel Sanskrit für diese ursprüngliche Sprache, von der alle anderen abstammten, und das kommt ja im Film so auch ein wenig durch. Aber mit A. M. Lara als Medium wirkt das zu seifig und dabei doch zu unzugänglich.

Matt Damon hat einen 10-Sekunden-Auftritt. Das hat mich recht erstaunt, dass er da einfach mal so uncredited am Set vorbeischaut. Da übrigens die Vorlage ja von Mircea Eliade stammt, warte ich gespannt darauf, dass auch mal so ein Capriccio von Ernst Jünger verfilmt wird, und damit bin ich sicher nicht allein, hehe.

Auch ich war aufgeschlossen, ja geradezu festlich gestimmt, und fand den ersten Teil promising, das Ganze entwickelte schon eine eigene Stimmung und war in erlesene Bilder gekleidet. Doch mit der Zeit vergurkt sich alles in einem gekrampften Transzendenz-Geschwurbel, wird anstrengend und träge. Arthouse hin oder her, wenn ein Film seine Zuschauer nicht halten kann, taugt er nichts.

Das Storytelling hinkt auf beiden Beinen, jegliche Resonanz geht flöten, und der Film schleppt sich durch immer prätenziösere Szenen wie auf einer frisch geteerten Straße. Irgendwann will man nicht mehr. Thematisch mag dieser linguistische Orientalismus für den einen oder anderen ganz nett sein, aber mir schwant, die Vorlage ist zu sehr Literatur, als dass Coppola einen Film draus zaubern könnte, der die Rauschhaftigkeit seiner alten Arbeiten entwickeln würde. »Apocalypse«, »Conversation«, »Pate« und dergleichen, selbst die Auftragsarbeit »Dracula« war filmisch-atmosphärisch famos.

Das Personal klang ganz vielversprechend, aber das Charisma von Bruno Ganz verschwindet schmerzhaft früh aus dem Film, Roth war für mich nun auch nicht gerade der Über-Sympath, und die Lara, ach geh, ja hübsch und so. Matt Damon in seiner bedeutungslosen Winz-Rolle war Onkel Coppola vielleicht noch ein Gefallen aus »Rainmaker«-Zeiten schuldig.

Wie man liest, hat sich der Cutter (guter Mann: Walter Murch) durch 170 Stunden Material kämpfen müssen. Coppola war wohl nach 10 Jahren Abstinenz ein wenig eingerostet, konnte sich nicht entscheiden und hat einfach alles mitgefilmt. Daraus eine kohärente Geschichte zu destillieren, ist ein hartes Brot, und sicher fällt es schwer, diesen großen Männern ins Gesicht zu sagen, sie hätten’s einfach mal vergeigt. Aber genauso zwecklos ist es, sich diese humorlose, undurchdringliche Narretei zur großen Kunst hochzustilisieren. Doesn’t work.

Bei alledem muss man aber bemerken, dass Coppolas Genie schon noch durchblitzt, der Mann wärmt sich auf für sein Alterswerk. Geschafft hat er den Sprung von seinem Schulden- auf seinen Weinberg, der »Youth« finanzieren half. Ein Herzensprojekt, independently gestemmt, sehr persönlich und deswegen egotripmäßig gefährdet. Er hat sich nicht reinreden lassen während der Produktion und gibt sich in Interviews auch sehr bärbeißig, was die Arbeit seiner Kollegen angeht. Das hat so was Trotziges. Helft mir nicht, ich bin Coppola. Hmm, na ja.

Wir warten auf »Tetro«, seinen nächsten. Bardem war gebucht, musste zurückziehen, Carmen Maura ist für ihn rein, wir kennen sie aus »Volver«. Und wieder ein Deutscher dabei: Brandauer. Ich weiß, Brandauer ist ebenso wenig deutsch wie Bruno Ganz und Frau Lara, aber wir sind trotzdem stolz, dass Coppola mit *uns* dreht. Irgendwie.

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