Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 2:
Desperate Housewives (4. Staffel, ABC)
Barcelona, 12. August 2008, 08:01 | von Paco
(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)
Während es bei »Lost« gerade erst loszugehen scheint, ist der Hype um die »Desperate Housewives« irgendwie vorbei. Soll mir Recht sein, die Serie ist aber immer noch die am besten erzählte Dramedy der Welt mit beglückenden Dialogen, die auch auf einer Theaterbühne Bestand haben würden.
Nachdem in den ersten beiden Staffeln vor allem Bree mit den interessantesten Storylines ausgestattet wurde, ist diese 4. Staffel eine Lynette-Staffel gewesen. Sie wird zugebombt mit Schicksal, als wenn es kein Morgen gäbe. Nachdem sie ihren Krebs besiegt hat, der in einigen schönen Szenen allegorisiert wurde (sie tötet ein Opossum, das sich in ihrem Vorgarten breit gemacht hatte, Folge 6), beginnt ihre Stieftochter Kayla eine Intrige gegen ihre ungeliebte neue Mutter (Folge 15).
Die tyrannische Kayla (Rachel G. Fox) ist wirklich gut besetzt, sie ist so kindisch-bösartig wie es einst Andrew Van De Kamp war (der mittlerweile nur noch in der Scavo-Pizzeria arbeitet und sonst nicht viel macht). Sie bringt sich selbst ein paar Wunden bei und behauptet, von Lynette missbraucht und geschlagen worden zu sein (4.16/17). Insgesamt wird hier das althergebrachte Stiefmutter-Motiv überzeugend aktualisiert.
Wie in jeder Staffel gibt es neue Nachbarn, die ein dunkles Geheimnis mit sich bringen. Diesmal ist das die alte Bekannte Katherine Mayfair, die nach über 12 Jahren mit ihrer Tochter Dylan und ihrem neuen Mann Adam in die Wisteria Lane zurückkehrt. Bei ihrem damals überstürzten Aufbruch war etwas zwischen ihr und ihrem damaligem Mann bzw. beider Tochter vorgefallen. Wie so oft kommen in der Auflösung des Rätsels um die Geschehnisse vor 12 Jahren ein paar Horrorelemente mitgeschwommen.
Die Storys der anderen Housewives sind auch ganz passabel: Da es im WASP-Milieu für eine minderjährige Unverheiratete wie Danielle ungebührlich ist, schwanger zu sein, zieht Bree die Idee mit ihrem falschen Babybauch durch. Sie platziert ständig ein größer werdendes Kissen unter ihrer Kleidung, um das Kind ihrer ungebührlichen Tochter Danielle später als ihr Eigenes ausgeben zu können. Was für eine Idee!
Auch die Gabrielle-Story liefert einen köstlichen Höhepunkt: In Folge 7 wirft sie ihren frisch angetrauten Mann, den gerade gewählten Bürgermeister Victor Lang, mit Hilfe eines Paddels über Bord seiner Yacht. Sie handelt in Notwehr, denn Victor will sie gerade für die Affäre mit ihrem Ex-Mann Carlos bestrafen. Daraufhin suchen Gabi und Carlos vergeblich die Wasseroberfläche nach Victor ab und halten ihn für tot. Sie schicken die Yacht herrenlos auf den Ozean hinaus und beschließen Stillschweigen zu bewahren. Diese spannend erzählte Substory ist eine schöne Reminiszenz an Patricia Highsmiths ersten »Ripley«-Roman bzw. dessen grandiose Verfilmungen von René Clément (1960) und Anthony Minghella (1999).
In Folge 9 erleben wir den Höhepunkt der gesamten US-Seriensaison: Ein Tornado erwischt die Housewives-Gegend. Und wie das erzählt wird, wie da das Ende vorweggenommen wird, wie derart die Spannung in Szene gesetzt wird, wie der biblische Off-Ton der Mary Alice Young die Geschehnisse sinister kommentiert, das ist einzigartig.
Und was »Lost« kann, können die »Desperate Housewives« schon lange. Der Flashforward bei »Lost« führte nur um die 3 Jahre in die Zukunft. Am Ende der 4. DH-Staffel werden wir mit einem 5-Jahres-Sprung in die Zukunft konfrontiert. Was für ein Cliffhanger! Wollen wir hoffen, dass das Drehbuch diese protzige Vorausschau auch wirklich ausgestalten kann.
Am 12. August 2008 um 14:27 Uhr
hm, ich „musste“ die Staffel mitgucken und bin kein wirklicher Fan….aber bis auf ein paar bestimmte Folgen, fand ich die Staffel nicht gut. Bei mir wäre die Staffel nichtmal ansatztweise in die Top10 gekommen….aber ich bin ja auch kein eingefleischter Fan^^
Am 12. August 2008 um 23:19 Uhr
@maurice: zu »lost« hattest du geschrieben: »wenn man die Serie bloß guckt, verpasst man die hälfte« – dasselbe gilt für »desperate housewives«. zwar geht es hier nicht um bits für ein mystery-rätsel, aber immerhin um feine beobachtungen der conditio humana. da ist ein einziger textschnipsel aus dh dann oft unterhaltsamer, tragischer, aussagekräftiger als ganze staffeln anderer serien. und die von mir oben erwähnte 9. folge ist nach wie vor meine lieblings-einzelfolge der gesamten saison, besser geht’s nicht.