Das Trinktier oder
Return to the Feuilleton i. e. S.

auf Reisen, 13. August 2008, 12:00 | von Paco

»Wann ist diese Serienschrottliste endlich am Ende?« – die einen.

»Jajaja! Warum keine Top-50?« – die anderen.

Ich gehöre zu den einen, hehe. Es ist also an der Zeit, unser Die-hard-Feuilleton wieder etwas zu diversifizieren. Im Mittelpunkt steht nach wie vor die Zusammenstellung des Top-10-Readers mit den zehn wichtig-, be-, interessante-, usw. -sten Feuilletontexten des Jahres 2008. Selbst in den Sommermonaten gab es da bisher sehr gute Sachen. Danke, liebes verrücktes deutsches Feuilleton!

Das Hauptevent der letzten Wochen war für mich eine unschein­bare Überschrift in der S-Zeitung vom 29. Juli 2008, Seite 18:

Das Trinktier
Ein Spitzhörnchen säuft täglich
Alkohol – und bleibt dabei nüchtern

Die S-Zeitung war auch zu Recht stolz auf diese Findung: Der textunlastige Kleinstartikel zum Federschwanzspitzhörnchen wurde bereits auf der Frontseite des Feuilletons (S. 13) angekündigt. (Einen Artikel zum selben Thema gab es am gleichen Tag u. a. auch bei Telepolis, zurückgehend auf einen Aufsatz in PNAS. Die ganzen Lorbeeren gehören aber dem Erfinder der SZ-Überschrift!)

Auch ziemlich sehr gut war eine Überschrift in der FR vom 1. 8., S. 54: »Sack Reis umgekippt«. Eine nahe liegende, nicht schwer zu errechnende Headline, aber: »Wann sonst hat man die Chance einen solchen Kalauer in eine Zeitung zu schreiben, und dabei gleichzeitig selbstreflektiv auf das Problemfeld Presse und Politik in China einzugehen?« (Horatiorama im gelblog) Den Text unter der Überschrift braucht man im Prinzip nicht zu lesen, und das macht ja eine gute Überschrift eben aus.

Dann noch mal die S-Zeitung, Axel Rühles Artikel zu den immer dicker werdenden Bildbänden: »Wer hat den Dicksten?«. Es geht darin um die Pointlessness dieser Wolkenkratzerbücher, darum, dass sie als lebloser Fetisch gekauft und verehrt werden, die Inhalte sind zweitrangig:

»Das sind keine Bücher mehr (…). Das sind Module. Möbel. / Als gäbe es ein Wettrüsten unter den Bildbandverlegern. Als hätte jemand das Wort Coffeetable-Book falsch verstanden und allen Ehrgeiz darangesetzt, Bücher zu drucken, groß wie Serviertischchen.«

Morgen suchen wir dann den Superleser und übermorgen feiern wir ein Robert-Musil-Jubiläum. Stay tuned.

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