Die neuen Comic Book Movies (Teil 3):
The Incredible Hulk

Hamburg, 22. August 2008, 14:10 | von San Andreas

(Agenda: PrologIron ManThe Incredible HulkThe Dark Knight.)

EB: You’ve seen what he becomes, right?
SS: I have … and it’s beautiful, godlike.
EB: I want that. I need that. Give me that.
SS: I don’t know what you’ve got in you already … the mix could be an abomination.

»Achtung! Gekürzte Fassung!« stand in großen Lettern im Kinoprogramm. Nicht gerade ein intelligenter Werbeschachzug, dachte man. Aber so gaben die Kinos den Protest ihrer Kunden an den Verleih weiter; nach den Vorstellungen hatte es nämlich Beschwerden gehagelt ob der Schnitte, die der Film in Deutschland für eine geschäftsträchtigere Altersfreigabe hinnehmen musste.

Ist es wieder so weit? Wird Kunst hierzulande verstümmelt und zensiert? Jugendschutz ist OK, aber hier wird geschnitten nicht im Namen der Moral, sondern der Penunse. Und das prangern wir an. Besonders, wenn es so stümperhaft geschieht wie in diesem Fall. Offenbar durfte der fahrige Pförtner mit dem Buttermesser den Endkampf entschärfen – ein Sakrileg sondergleichen. Auf die Proteste hin erhielten 25 Kinos in Deutschland die Gnade der ungeschnittenen Version – eins davon ganz bestimmt in Ihrer Nähe!

Zum Film. Alle wissen, dies ist der zweite Anlauf des grünen Nervenbündels. Dass die Produktion so tat, als hätte es Ang Lees Version von 2003 gar nicht gegeben, verlieh dem Ganzen einen merkwürdigen Beigeschmack, aber das Kaliber der Produktion sowie des Personals ließ dann doch die Vorfreude wachsen. Gerade in dieser Sparte können verschiedene Herangehensweisen an ein und dasselbe Thema ganz erhellend und unterhaltsam sein.

»Iron Man« hatte gerade den Reigen der Sommer-Blockbuster eröffnet und dem Superhelden-Metier zu einem neuen, aufregenden Spin verholfen. Gerne hätte man angesichts der neuen Hulk-Verwurstung gesagt: »Dasselbe in grün!« Aber man muss konstatieren: nicht ganz. Louis Leterriers Film steht auf eigenen Beinen, ist gut gemacht und unterhält bisweilen ganz prächtig, wächst jedoch nicht in demselben Maße über sich hinaus wie sein Protagonist.

Das mag an der Beschaffenheit des Helden liegen. Super an ihm sind – wenn in erregtem Zustand – lediglich seine unbändige Kraft und seine rasende Wut. Von einem um sich schlagenden Muskelpaket aber ist rationales Denken nicht mehr zu erwarten, das Ding ist nicht mehr Herr seiner selbst. Ang Lee hatte seinem Hulk noch ein Quäntchen mehr Selbstbewusstsein bewahrt, sodass das immer interessante Jekyll-und-Hyde-Thema ein wenig ausgelotet werden konnte.

Edward Norton aber kann nur bibbernd auf seinen Pulsmesser starren, wenn es mal wieder heiß hergeht, und auf den nächsten Ausbruch warten. Und wenn dann sein Schwellkörper die Trikotagen sprengt, gibt es kein Halten mehr; das Grraarrgh! des Monsters schickt die Hirnzellen des Publikums für die nächsten paar Minuten auf Standby. Es gibt mächtig was auf die Augen in »The Incredible Hulk«, und ja, es macht Spaß, auch wenn der Spaß austauschbar ist (originell ist allenfalls die Sequenz auf dem Uni-Kampus).

Zwischen den Hau-Drauf-Episoden entfaltet sich eine eher düstere, bisweilen sogar kontemplative Stimmung. Dazu gesellt sich dann und wann eine innere Dramatik – Bruce Banner sucht nach Möglichkeiten, seine zweifelhafte Begabung loszuwerden oder, in einem ersten Schritt, mit ihr zu leben. Aber da hat er die Rechnung ohne das Militär gemacht, welches seine Talente zu extrahieren und in Form einer Kohorte Supersoldaten für sich nutzbar zu machen trachtet. Allein bei dem Gedanken wird Banner grün vor Wut.

Damit enden die Referenzen auf außerfilmische Realitäten. Der romantische Anteil des Films ist Routine, wenn auch eine willkommene, verschafft er doch angenehme Verschnaufpausen. Ein wenig Selbstironie beweist der Film, wenn er Banner über den Trödelmarkt schlendern und am Kleiderstand die Elastizität bunter Beinkleider testen lässt. Das Hosenproblem war immer Anlass für spöttische Bemerkungen gewesen. Immerhin lehnt Banner dieses abscheuliche Lila ab, das den Comic-Hulk auszeichnete – und dem Ang Lee treu geblieben war.

Der neue Film ist dreckiger, sein Hulk-Grün ist eher ein steiniges Grau. Leterriers Wutknuddel kann auch nicht kontinentale Sprünge vollführen oder die Größe ändern, er gerät durchaus mal ins Hintertreffen, und seine Schlachten bestechen durch eine naturgetreue Darstellung der immensen Kollateralschäden an der Bausubstanz ringsum. Dieser Realismus arbeitet im Dienste des make-believe, aber die Anwesenheit eines mehr oder minder hirnlosen Monsters verhindert ein vollkommenes Sich-Ausliefern auf Zuschauerseite. Da hilft die Tatsache auch nicht besonders, dass der Mutant vom Darsteller seines menschlichen Gegenstücks per Motion-Capture-Verfahren zum Leben erweckt wurde.

Edward Norton, der übrigens gewohnheitsgemäß das Skript nach seinem Gusto umschrieb, funktioniert in seiner Rolle ganz gut; er liefert mit seiner unscheinbaren Physiognomie und seinem zurückhaltenden Habitus einen interessanten Kontrast zu seinem aufgeblasenen Alter Ego. Ihm zur Seite steht Liv Tyler als Betty Ross, die ihren charmanten Überbiss präsentiert, aber sonst herzlich wenig unternimmt, dem Zuschauer glauben zu machen, sie sei Doktor der Chemie. Ihre Szenen mit dem Hulk, der plötzlich seine zartfühlende Seite entdeckt, variieren ein Motiv, das uns irgendwie bekannt vorkommt … Green Kong?

William Hurt jagt als General Ross/Bettys Vater den Hulk so verbissen wie einst Käptn Ahab seinen Wal. Er überzeugt genauso wie Tim Roth, der hier fast besser aufgehoben scheint als bei Coppola. Sein manischer Elitesoldat Emil Blonsky (russische Abstammmung!) schafft einen wunderbaren Gegenpol sinnentleerter Aggression und wandelt sich per Blutspende zu jenem ebenbürtigen Hulk-Gegner mit dem Künstlernamen ›The Abomination‹.

Die Bühne ist bereit für das finale Schutt-und-Asche-Wrestling in Harlem. Eine viertelstündige, adrenalingetränkte Straßenschlacht für alle, die schon immer mal sehen wollten, dass man halbierte Polizeiwagen prima als Boxhandschuhe verwenden kann. Sie ist ermüdend spektakulär, kracht und splittert vor sich hin – ein beredtes Zeugnis für die Rechenpower Hollywoods, viel mehr nicht.

Was bleibt, ist eine durchaus akzeptable Neuauflage, ein ausgewogenes Stück Blockbusterkino, das in vielen Belangen überzeugt, angesichts der starken Konkurrenz diesen Sommer aber das Nachsehen haben muss. Immerhin finden sich Fan-Leckerbissen erster Güte. Der Schnauzbart zum Beispiel, der an der kontaminierten Brauseflasche nuckelt – Stan Lee natürlich, das alte Haus. Oder Lou Ferrigno, der TV-Hulk, als Sicherheitsbeamter und Pizzaliebhaber, sowie eine herrliche Ausgabe des ›Mad Scientist‹, gespielt von Tim Blake Nelson. Die letzte Einstellung von ihm verweist genauso auf einen zukünftigen Film wie das überraschende Auftauchen eines gewissen Tony Stark am Ende des Films. Das Universum wächst.

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