Die FAS vom 28. 9. 2008:
Varus, Arminius, Dexter
Leipzig, 28. September 2008, 18:40 | von Paco
Millek und ich lehnten an einem Geländer in der Nähe der Theologischen Fakultät und unterhielten uns über Ptolemäus I.
An uns vorbei stiefelte ein Mann, der wie Maxim Biller aussah, und wir blickten ihm nach. Kann eigentlich nicht sein, denn der müsste ja rein rechnerisch irgendwo sitzen und Glossen schreiben. Einige Meter weiter, vor der heute natürlich geschlossenen Norma-Filiale in der Otto-Schill-Straße, standen ein paar Schüler mit Bierflaschen und riefen: Lach doch mal. Und der stiefelnde Mann kuckte kurz rüber, war aber offenbar gar nicht gemeint.
Ptolemäus I. also, aber wir waren auf Abwege geraten, denn eigentlich hatten wir heute morgen nur das sehr gute Antike-Spezial des FAS-Feuilletons gelesen, komplett gelesen.
Im Aufmacher von Peter Körte (S. 25-26) geht es um die Örtlichkeit der Varusschlacht / Hermannsschlacht / Schlacht im Teutoburger Wald. Seit dem Sommersemester 1997 schaue ich fast täglich auf der universitären Website zum Thema nach, ob es Neuigkeiten gibt. Gab es aber eigentlich nie und wird es auch nicht geben, vermutet Körte.
Die Gegend um Kalkriese steht als Gemetzelort nicht wirklich fest, ist als solcher aber wegen des dort gefundenen Schlachtfeldschrotts sehr wahrscheinlich. Das widerspricht jedoch den Angaben der (allerdings nie in Germanien gewesenen) römischen Autoren, die sich in den ersten Jahrhunderten u. Z. zur Schlacht geäußert haben.
»Schnitzel Arminius«, das ist notabene die hervorragende Überschrift zu dem Körte-Artikel, und genau so mit nur halber Ernstigkeit beschreibt er den Zweiklang der archäologisch-touristischen Bemühungen vor Ort. Seinen grandiosen Schluss leitet er mit dieser Idee ein: »Warum will man überhaupt wissen, wo es war? Niemand braucht mehr die Sinnressource Hermann« (usw., S. 26).
Inzwischen waren wir in den Clara-Zetkin-Park gegangen, wo wir andere Leute trafen, die auch alle die FAS natürlich bereits schon gelesen hatten.
Jemand regte sich darüber auf, dass Stefan Niggemeier die gerade auf RTL 2 anlaufenden erste Staffel von »Dexter« nicht gut fand (S. 34). Seine Gründe: »Plädoyer für die Todesstrafe«, außerdem zu unkomplex und zu unvielschichtig. Ich bin zumindest bei den letzten Punkten anderer Meinung, meine damit aber vor allem die 2. Staffel.
Und außerdem ist es doch gut, dass jemand der ungehinderten »Dexter«-Begeisterung mal den Spiegel vorhält. Es kam zu einem kleinen Disput, der sich aber zwischen allen irgendwie verlief, Themen wurden gewechselt, die Sonne schien, und irgendwann lief ich wieder neben Millek, und wir setzen unser Gespräch über Ptolemäus I. fort.
Am 28. September 2008 um 20:00 Uhr
@ Paco:
Zunächst mal einen freunflichen Gruss aus dem Weserbergland in den Zetkin-Park.
Am Grunde des Blätterwaldes wuchert meist das Unterholz der Administration. Daher geht es beim Ort der Hermannschlacht auch nicht um Sinn-, sondern um ganz handfeste Ressourcen. Konkret um die Gelder, welche der jeweilige Landschaftsverband in NRW (Detmold) oder Niedersachen (Kalkriese) zur nächstjährigen 2000-Jahrfeier(!!!) des Hinauswurfs aller welschen Gäste aus Ur-Deutschland auszugeben gedenkt. Da ist es schon entscheidend, ob nun mehr Schlachtenschrott auf dieser oder jener Wiese, oder gar noch weiter aufwärts der Lippe zu finden ist, um die cheruskischen Guerillas nun endgültig dingfest zu machen.
Das mag man von Sachsen herüberblickend nicht so ganz nachvollziehen können, aber: stellen Sie sich vor: Lipper hier, Niedersachsen dort, und mittendrin ostwestfälische Historiker, die einerseits die Kontradiktion schon in der Regionalbezeichnung tragen, andererseits aber weder ihren Lippischen Nachbar-Feinden Recht geben noch alle Events mit Römersoldaten und Hermannsschnitzel nach Niedersachsen abwandern sehen wollen. Schwierige Lage!
Sinnfällig wird das Grundproblem, wenn man Kleists und Grabbes ‚Hermannsschlacht‘ nebeneinander legt: Wenn ein Drama von vornherein unaufführbar ist, da ist es um so wichtiger zu wissen, WO man es denn nicht aufzuführen hat.
In diesem Sinne: Bis die Tage!
PS.: Ich dachte immer, das Gegenteil zu „vielschichtig“ sei „unterbeschichtet“…
Am 28. September 2008 um 20:19 Uhr
@Aikmaier: Auf jeden, am Ende geht es um die monetären Schweineschnitzel, alle von dir aufgeführten Punkte sind auch der Grund, warum man darüber nur in Peter-Körte-Manier berichten kann, nämlich weitestgehend tongue-in-cheek. Und von Sachsen aus ist die Sicht übrigens eigentlich immer sehr gut (Völkerschlachtdenkmal), aber heute sind wir ja eh alle Bayern, um Peter Struck einmal mehr zu zitieren.
Am 29. September 2008 um 19:57 Uhr
Die TV-Umsetzung von Dexter ist auf jeden Fall vielschichtiger als die Vorlage. Ich gebe dir zudem Recht, dass in Staffel 2 noch ein paar Schichten draufgelegt werden. Mal schauen, was die Season 3 so bringt.
Am 30. September 2008 um 23:54 Uhr
im bewußtsein eine möglicherweise unfaire kritik zu üben, weil nur eine folge gesehen, muß ich sagen, daß ich dexter ziemlich öde und widerlich fand. vielleicht lags ja wie bei califonication an einer katastrophalen synchro, aber die charaktere sind platt, die story vollgestopft mit stereotypen, die flashbacks in dexters jugend nerven und die ausgesetzt wirkende faszination dexters für alles morbide ist disgusting. für eine pilotfolge war das jedenfalls kein aushängeschild.
ich machs ungern, aber im fall von dexter muß ich niggemeier rechtgeben.