Das wahrscheinlich unwahrscheinlichste Remake aller Zeiten
Hamburg, 8. Oktober 2008, 07:57 | von San AndreasWo immer die »Welt« ihre Quelle hat für die Serie kleiner Artikel großer Leute zum Thema »Meine DVD« (u. a. Jerry Seinfeld, Marc Forster und Guillermo del Toro) – neulich gab die Rubrik dem Regisseur Abel Ferrara die Möglichkeit, seinen Unmut über das bevorstehende Remake seines kontroversen Cop-Dramas »Bad Lieutenant« zum Ausdruck zu bringen:
Nichts gegen Werner persönlich, aber ich wünsche der gesamten Crew der Neuverfilmung die Pest an den Hals.
Oh, wie harsch. Und welcher ›Werner‹? Doch nicht etwa …? Aber ja, ganz genau: our very own Werner Herzog. Hierzulande kurz davor, vergessen zu werden (sein Vietnam-Fluchtdrama »Rescue Dawn« von 2006 harrt immer noch eines Starttermins, während die halbe Welt ihn schon sehen durfte, darunter Kuwait, Polen, Island und Brasilien), schickt sich Meister Herzog nun an – 16 Jahre nach dem Original – »Bad Lieutenant« neu zu erfinden.
Eine merkwürdige Idee, gelinde gesagt, zumal die Thematik so gar nicht in Herzogs Output der letzten Zeit passen will: da hatten wir fantastische Dokus wie »Grizzly Man«, »The White Diamond« und aktuell »Encounters at the End of the World«, er schrieb die köstliche Mockumentary »Incident at Loch Ness«, in der er sich selbst spielte, und seit dem Hanussen-Vehikel »Invincible« war der hervorragende »Rescue Dawn« sein erster Spielfilm seit langem gewesen.
All diesen Werken ist eines gemein: Herzog zeichnet höchstselbst für das Drehbuch verantwortlich, so wie sich das für einen Autorenfilmer gehört. Für »Bad Lieutenant« nun nimmt er die Dienste eines gewissen William M. Finkelstein in Anspruch, seines Zeichens Autor und Produzent von TV-Polizeiserien wie »NYPD Blue« und »Law & Order«. Aha. Hmm. Hä?
Aber der Knaller kommt erst noch: Die Hauptrolle übernimmt kein anderer als Mr. Nicolas Cage, derletzt als Träger schlechter Frisuren in noch schlechteren Filmen zu bewundern (»Bangkok Dangerous«, »National Treasure: Book of Secrets«, »Next«). Ihm zur Seite stehen attraktive Akteure wie Eva Mendes und Val Kilmer. Nach üblem Mainstream riecht das, und Ferrara kann die zu erwartende Hollywoodisierung seiner grenzgängerischen Filmprovokation nur schwer verknusen. In Cannes nach seiner Meinung dazu befragt, reagierte er fast etwas ungehalten:
I wish these people die in hell. I hope they’re all in the same streetcar, and it blows up.
Und Herzog, der ja durch die harte Kinski-Schule gegangen ist und Verbalausfälle seelenruhig zu parieren weiß, wie reagiert er auf diese Anfeindungen? Wie erwartet:
That’s beautiful! […] Wonderful, yes! Let him fight! He thinks I’m doing a remake.
Jetzt wird es kompliziert. Herzog steht offenbar unter dem Eindruck, sein Film wäre *kein* Remake. Wie man hört, soll tatsächlich der Schauplatz ein anderer sein, was auch ein Untertitel unmissverständlich klar macht: »Port of Call New Orleans«. Aber es geht schon um einen Officer, der allen möglichen unschicklichen Obsessionen nachhängt? Jawohl.
Nun ist das eher eine Sache von Wortklauberei: Wann ist ein Remake ein Remake? Herzogs Verteidiger bringen Beispiele wie James Bond und Inspektor Clouseau, doch sind das eindeutig Filmserien und keine Versionen derselben Geschichte. Ist Werner Herzogs »Nosferatu« ein Remake gewesen? Nein, sagt er, das war eine Hommage. Aha. Und kann sein Bad Lieutenant eine Hommage an Abel Ferrara sein? Aber nicht doch, denn:
I have no idea who Abel Ferrara is. […] I don’t know what he did – I’ve never seen a film by him. I have no idea who he is. Is he Italian? Is he French? Who is he?
Es scheiden sich die Geister, ob man Herzog so viel Ignoranz abnehmen kann. Irgendein Stabmitglied muss ihn doch irgendwann mal beiseite genommen und ihm geflüstert haben, dass es da draußen schon einen Film mit diesem Titel und dieser Geschichte gibt …
Wie dem auch sei, Abel Ferrara soll mal ganz ruhig sein, schließlich war sein Film »Body Snatchers« ebenfalls das Remake eines gerade mal 15 Jahre alten Streifens (seinerseits bereits ein Remake), und ein überflüssiges und schlechtes noch dazu.