Dialektologie mit dem »Spiegel«

Konstanz, 18. Oktober 2008, 10:45 | von Marcuccio

Dass Leserbriefe für mich Feuilleton sind, dürfte sich ja mittlerweile herumgesprochen haben. Heute frage ich mich, ob ich neulich nicht eine Kategorie vergessen habe: das Bastian-Sick-Double, das nach gegenwärtiger Sachlage nur durch Matthias Matussek – und zwar mit Hilfe von Martin Walser –, nicht aber durch Alexander Osang gebannt werden kann. Doch immer schön der Reihe nach:

Auf S. 15 des aktuellen »Spiegel« (Nr. 42/2008) wird Alexander Osang von einem Leser aus Mainz für seine miserable Dialekt-Transkription kritisiert. Osang hatte in seiner Reportage »Pamelas Prinz« einen Pforzheimer Bordellbesitzer mit den Worten zitiert:

»Schöne Frau und schönes Auto. Pascht zusamme.«

»›Pascht zusamme‹ hat der Prinz mit Sicherheit nicht gesagt«, entrüstet sich nun der Leserbriefschreiber, nach unserer Typologie wohl eine Mischung aus Beschwerdeopportunist und Co-Referent, und erklärt:

»Das ist eine verbreitete Unart Norddeutscher, das süddeutsche Idiom misszuverstehen. Das ›sch–t‹ statt ›s–t‹ wird nicht bei allen Endungen verwendet. Das heißt ›passt‹ wie im Hochdeutschen, eventuell auch ›basst‹ – nie und nimmer aber ›pascht‹ –, vielleicht schon, weil man es ›sonscht‹ mit ›baschteln‹ oder ›Bascht‹ verwechseln könnte.«

Witzigerweise gibt es im selben »Spiegel«-Heft aber auch mal Norddeutsche, die es können. Auf S. 196 transkribiert Matthias Matussek einen Satz von Martin Walser:

»Das ischt doch alles Hysterie«.

Sagt der zur aktuellen Finanzkrise, und hier ist das »ischt« (unter Eingeborenen ja eigentlich nur »isch«) tadellos, ja sogar sehr gut beobachtet, weil nachgerade typisch: Nicht nur für Walser, sondern auch für Wolfgang Schäuble oder Volker Kauder, wenn sie Hochdeutsch intonieren, aber tatsächlich nur ihren Dialekt überkorrigieren.

»Der Spiegel«, diese Woche das deutsche Mundartmagazin.

2 Reaktionen zu “Dialektologie mit dem »Spiegel«”

  1. Jonas

    Dr. Marcuccio, Ihr Lieblings-Co-Referent hier (—mit, wie Sie nun ja wissen, ebenfalls sehr kernschwäbischem phonetic inventory im Hirn): Ist Mattusek nicht eh auch in Stuttgart ansässig gewesen oder aufgewachen oder so etwas? [Dies ist so ein super-unnötiger Kommentar; den muss ich jetzt einfach schreiben. Mach ich viel zu selten.]

  2. Marcuccio

    Die unnötigsten Co-Referate waren schon immer die besten. Zu Matussek & Kernschwaben fällt mir nämlich wirklich noch was ein: sein Verhältnis mit der „Hausfrau in Ulm“

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