Die Bratwurst in der Literatur:
»Niemals mit Senf«
Zürich, 31. Dezember 2008, 10:20 | von Marcuccio
Noch ein kleiner literaturgeschichtlicher Nachtrag kurz vor Jahresende. Hanns-Josef Ortheil hat sich in seinem immer noch aktuellen Roman »Das Verlangen nach Liebe« (2007) als Kurator einer exquisiten Sonderausstellung im Bratwurstmuseum empfohlen, und Rainer Moritz unterstützt ihn in der NZZ (23. 1. 2008):
»Selten dürfte in der Weltliteratur derart genüsslich der Verzehr von St. Galler Bratwürsten nebst Bürli beschrieben worden sein«.
Die Szene im O-Ton: Ortheils Ich-Erzähler Johannes besucht den Grillstand am Zürcher Bellevue (S. 25):
»Als ich den Platz erreichte, erkannte ich einen schmalen, zum Teil überdachten Grillstand, der in einer Häuserlücke untergebracht war, diesen Grillstand kannte ich, ja genau, hier gab es diese unvergleichlichen Bratwürste, wie hießen sie doch gleich, diese leicht gedrungenen Würste mit einer hellen, porenlosen, milchig wirkenden Füllung von Kalb- und Schweinefleisch. Wegen ihres intensiven und für Bratwürste ganz raren Eigengeschmacks aß man sie niemals mit Senf, sondern mit dunkelbraunen, knusprigen Bürli, die ebenfalls eine Köstlichkeit waren und in nichts mehr erinnerten, was man im Deutschen als Brötchen bezeichnete. Bürli waren nämlich innen flockig, porös und weich wie gewisse Pilz-Schwämme, außen aber überzogen von einer hier und da aufgeplatzten Kruste mit einer ganz unmerklich dunklen Lasur. Eine solche Bratwurst und ein solches Bürli, dazu ein kaltes Glas Bier – das war genau richtig (…).«
Irgendwann wird es also sicher Zeit, Elisabeth Frenzels »Motive der Weltliteratur« um die Bratwurst zu erweitern.