Der Schatten und die Kunstgeschichte:
Giorgio de Chirico im Musée d’Art moderne
Paris, 11. März 2009, 07:25 | von Paco
Das absolut Hervorragende an der Ausstellung ist natürlich, dass man hier den ganzen de Chirico bekommt, sowohl den der metaphysischen als auch den der späteren vulgärklassizistischen Bilder. De Chirico hat sich in den 1920er Jahren langsam zur Tradition zurückgeübt, teils mit ziemlich gewollten Kopien von Renaissancegemälden, wofür ihn dann die Surrealisten ausgebuht haben. Eines seiner »Autoportraits nus« aus den 40ern erinnert übrigens sogar fast an einen diesbezüglichen Nachfolger de Chiricos, an den hervorragenden Kitschnorweger Odd Nerdrum.
Peter Richter schrieb neulich in seinem Madrid-Artikel und anlässlich der dortigen »La Sombra«-Ausstellung darüber, »wie wenig sich die Kunsthistoriker mit dem Schatten auseinandersetzen mochten. Mit Studien zum Licht könnte man dagegen Bibliothek füllen.« (FAS, 22. 2. 2009, S. 24) De Chirico war einer der bestrebtesten Schattenmaler (auch in Madrid kommen sie nicht ohne ihn aus), und so ist die Pariser Ausstellung naturgemäß ebenfalls eine ziemliche Shadows-Ausstellung geworden, und de Chirico liefert das Hammerzitat gleich selber mit:
»Sur la terre, il y a bien plus d’énigmes dans l’ombre d’un homme qui marche au soleil que dans toutes les religions passées, présentes et futures.«
In! Your! Face! De Chiricos gesammelte Schatten finden sich vor allem auf den verschiedenen Varianten des »Place d’Italie«-Stoffes. Und ansonsten scheinen auch die gemalten Eierköpfe ein ganz eigenes Kontinuum zu bilden, und da kann man dann einen schönen Querverweis zu Brâncuşi ziehen, und der zugehörige Aufsatz würde dann eben »Eierköpfe in den Œuvres von …« heißen und in irgendeinem Sammelband erscheinen.
Wir waren dreieinhalb Stunden im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, soweit der vollständige Name, gewesen. Draußen schien die Sonne sehr chiriquesque und erzeugte streng fixierte Schatten am Rive Droite. Wir saßen im Museumscafé und unterhielten uns über die am besten geschriebenen Bücher, die nur 100 Seiten haben, »Der Fürst«, »Lazarillo de Tormes«, »Candide«, »Ecce homo« und noch ein paar andere.