Das anti-minimalistische Manifest

Paris, 12. März 2009, 08:01 | von Dique

Nach dreieinhalb Stunden de Chirico und ein bisschen Museums­kaffee spazieren Paco und ich gerade am Grand Palais vorbei und sprechen natürlich noch einmal über die kürzlich hier präsentierte und versteigerte Kunstsammlung von YSL. Paco kann es immer noch nicht fassen, dass der de Hooch nicht weggegangen ist, der sicher in restaurationsbedürftigem Zustand, aber eben ein subtiles Meisterwerk ist, also wie kann das sein, für nicht einmal 300.000 Euro.

Ich selbst konnte mir das Spektakel in Paris nicht ansehen, aber ein kleiner Teil der Sammlung wurde einige Wochen vorher bei Christie’s in London gezeigt. Man widmete YSL einen großzügigen Raum während der Vorbesichtigung der Post-War & Contemporary Art Sales im Februar.

Der YSL-Raum bildete eine kleine feine Insel inmitten der neuen und neueren Kunst und war für mich das eigentliche Highlight. Jedes Jahr im Februar spaziere ich hier zwischen hellgrün schimmernden Impressionisten, weichen Bleistiftzeichnungen von Klimt und Schiele auf bräunlichem Papier und dem kühlen Acryl zeitgenössischer Künstler umher, aber selten bin ich gerührt (wie unfair, gab es doch einen wundervollen Modigliani zu sehen und ein kleines dieser wie abgeschliffen wirkenden abstrakten Bilder von Gerhard Richter, hehe).

Normalerweise werden hier bei Christie’s in diesem heute YSL gewidmeten Raum bei den Frühjahrs-Sales die Surrealisten ausgestellt. Vor ein paar Jahren wurde man wie durch einen kleinen dunklen Gang ins Innere geschleust. Durch ein kleines Loch konnte man schon mal in den Raum sehen, ein kleiner surrealistischer Vorgeschmack also.

Dieses Mal nun YSL, und am meisten faszinierte das Gesamt­kunstwerk des Raumes, diese breite Mischung der Epochen und Stile. Gemälde von Frans Hals und Géricault, manieristische Bronzen nach Giambologna, vollgepfropfte Vitrinen, in denen neben Silberzeug auch diese schräge Parfumflasche »Belle haleine – Eau de voilette« von Duchamp stand, welche ganze 11+ Millionen Dollar einspielte, und in einer Ecke eine wunderschöne, hauchzarte Bleistiftzeichnung von Ingres.

An der Stirnseite des Raumes hing ein riesiges tapetegewordenes Foto des Originalsetups vieler der Objekte. Mich erinnerte dieses Bild sofort an eines der neuen Highlights des Verlages Umberto Allemandi, einen Bildband, der ganz schnell zum Tophit unter den Coffee Table Books geworden ist oder zumindest werden sollte, »The Anti-Minimalist House«.

Das Buch ist in Rubriken unterteilt und versammelt Fotos von Massimo Listri, ergänzt durch kurze Kommentare. Es ist nicht nur ein wunderschönes Buch in diesem typischen dezenten Mintgrün der Allemandi-Bildbände, es versammelt auch die besten Beispiele häuslicher Überfrachtung. Besonders empfehlenswert ist der Teil über die Bibliotheken, in dem zum Beispiel die Bibliothek des Ham House in London fotografiert wurde.

Usw. usw.

Etwas später scheint uns dann die Brasserie Flo als Ambiente recht geeignet, um hundert Jahre nach Marinetti endlich mal das anti-minimalistische Manifest nachzuliefern. Wir bestellen natürlich Côte de Bœuf, ein ganzes Kilo zartestes Fleisch aus der Rinderhoch­rippe, einen Cut, den es in unserem schönen Heimatland leider nicht gibt. Vergangenen November hatte ich im Les Halles in New York den gleichen Cut, vom amerikanischen Rind, aber ähnlich zuberei­tet, das wurde dort dann als American Beef French Style beworben.

Heute dann einfach French Beef French Style, und nach einem Kilo Fleisch und Kartoffelgratin, denn mit dem serviert das Flo das Côte de Bœuf, fällt uns nichts mehr ein, gar nichts.

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