Feuilleton-Früherziehung

Konstanz, 13. März 2009, 09:00 | von Marcuccio

Wer hätte das gedacht? Eine Maulwurfsfabel für Kinder ab 4 erklärt uns, was ein Feuilleton-Fan ist (und indirekt auch, was der Um­blätterer ist): »Maula und der Mondvogel« (2000), von Cornelia Hausherr und Fabienne Boldt.

Die Maulwürfin Maula Molte lebt unter Tage (Halbwelt, natürlich) – und wie! Verdächtig viele Übereinstim­mungen zu unserer Party im Zeichen des Golden Mole:

1. Maula sichtet, Maula sammelt. Maula hortet ihre Schätze. Maula betreibt in ihrem Bau ein unterirdisches Lager. Sie sortiert Müll und Preziosen, »wühlt sich unter einen Bogen Papier«, auf dass es »raschelt und knistert«. (Maula muss Zeitungleserin sein!)

2. Maula mag nicht alles. Aber was sie mag, das feiert sie: »Voll Freude klatscht Maula in die Hände.« (Begeisterungsfähigkeit als Voraussetzung)

3. Maula ist geschäftig: sie bügelt, raspelt, locht und presst all das, was sie gefunden hat, zu »handlichen Barren«. (Na bitteschön, sie bloggt.)

4. »Einmal im Jahr leert Maula ihre Regale.« Dann schnürt sie »die Barren zu dicken Packen« (Best of Feuilleton?) »und verteilt sie an ihre weitläufige Verwandtschaft. Ob ihre Tanten, Nichten und Neffen damit etwas anfangen können, interessiert Maula Molte nicht. Hauptsache, sie hat wieder Platz.« (Kennt also auch Maula so was wie einen Frühjahrsputz?)

5. Maula hegt einen besonderen Happen in ihrer prall gefüllten Vorratskammer: ein Insektenkokon, aus dem eines Tages ein Nachtfalter namens Mondvogel schlüpft. Für Maula viel zu schön zum bloßen Fressen.

6. Maula wird Mondvogels größter Fan: »Sie bringt ihm das Graben bei, er lehrt sie fliegen – oder versucht es zumindest.«

7. Mondvogel wird Maulas Muse und ist im übrigen all das, was auch gutes Feuilleton ist:

Unberechenbar:
»Übermütig wechselt Mondvogel mehrmals die Richtung«.

Von flüchtiger Schönheit:
»Die Flecken auf Mondvogels Flügeln leuchten silbern auf.«

Affizierend:
»Mit flatterndem Herzen läuft ihm Maula Molte hinterher.«

Arrogant:
»Mondvogel fliegt schon hoch über ihr. Er hat den Flügelschlag eines anderen Nachtfalters gehört.«

Und manchmal kryptisch:
Mondvogel »flüstert Maula Molte ein paar Worte zu, die sie aber nicht versteht.« Bevor Maula begreift, ist Mondvogel weg. Aber unter ihrem Fuss kitzelt schon das nächste Kokon, das sie in ihren Bau schleppen und bewundern kann.

Und damit Ende Gelände. Das Ganze kreidefein gezeichnet. Selbst die typografische Aufbereitung, für manche das große »Manko des Buches«, begeistert als Reminiszenz an das Bleiwüsten-Feuilleton vergangener Tage.

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