Pierre Boulez spricht

Paris, 25. Juni 2009, 11:40 | von Austin

Sonntag. 20.20 Uhr. Warten im Cour Napoléon. Fête de la musique. Um 21.15 Uhr ist Einlass für das Konzert sous la pyramide du Louvre: Pierre Boulez und das Orchestre de Paris. Vor uns eine lange Schlange. Hinter uns eine immer länger werdende Schlange.

Vor uns zwei Pariserinnen, Amt für Statistik & Marketing bei L’Oréal, wollen unbedingt zu Buläh. Hinter uns zwei Kolumbianerinnen, wollen unbedingt zu Buläs.

sous la pyramide

22.00 Uhr. Angeblich sitzen jetzt 2.000 Menschen auf dem Marmorbo­den des Auditorium du Louvre. Über uns der Richelieu-Flügel. Über uns die Pyramide. An ihren Scheiben die, die nicht reingekommen sind. Würden sie durchbrechen, würden sie auf den Schlagwerker des Orchesters fallen.

Und tatsächlich erscheint vor uns der große alte Mann der europäi­schen Musik und dirigiert: Strawinskis »Feuervogel«. Irre präzis, fabelhaft trocken, ohne jeden billigen Effekt.

Nach dem Konzert Jubel. Pierre Boulez scheint dem Publikum etwas sagen zu wollen. Er spricht. Was er sagt, geht unter in der Begeis­terung.

Am Nachmittag schon in einer anderen Schlange gewesen: im Musée Jacquemart-André, das im Baedeker einen ganzen Stern abbekom­men hat. Vermutlich vergeben für einen großartigen Rembrandt und eine schöne Orangen-Tarte im Museumscafé.

Ansonsten beantwortet dieses Museum vor allem die Frage, wie Tadzio, sollte er die venezianische Seuche überstanden haben, seinen Lebensabend gestaltet haben könnte. In diesem Haus hätte Tinto Brass Pornos drehen sollen, selbst der Staub scheint hier historisch zu sein, und hinter jeder Ecke erwartet man Siegfried und Roy.

Nichtsdestotrotz kommen wir rechtzeitig zum letzten Tag der Ausstel­lung italienischer Maler des Trecento, ausgeliehen aus einem Museum in »Altenbourg«, einer laut Informationstext »kleinen Stadt bei Dresden«.

Und die Leute drängen sich in den kleinen Räumen, um das Lebens­werk des Herren Lindenau zu sehen. Und wahrscheinlich sind es in diesem Moment, in dieser Stunde mehr Menschen, als in Altenburg in einem ganzen Jahr.

Passend zum Pariser Mittsommernachtstreffen des Umblätterers gibt es eine Frankreich-FAS, darin ganzseitige Artikel zu Julie Delpy (Interview) und Michel Foucault (kein Interview). Die Lektüre am Erscheinungstag wird aber durch oben genannte Ereignisse mehrfach vereitelt.

Usw.

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