Christa Wolf und Leo Perutz
Hamburg, 6. Juli 2009, 20:19 | von DiqueVielleicht muss ich meine Meinung zu Christa Wolf ändern, denn neulich passierte mir Folgendes. Ich war in der Oper, Staatsoper, hier in Hamburg, allein. Ticket für einen billigen Platz (14 Euro), welcher mir als good value for money empfohlen wurde. Es gab die »Meistersinger von Nürnberg«.
Ich war noch nie so glänzend vorbereitet wie dieses Mal. Libretto einen Tag vorher gelesen und alle wichtigen Stellen vorgehört. Da die Inszenierung mit Pausen über 5 Stunden dauert, begann die Veranstaltung bereits 17 Uhr, und ich ging hinaus in die Gluthitze des Spätnachmittags, um meine Karte abzuholen.
Vor dem Kasseneingang stand ein Typ und wollte ein Ticket loswerden. Er sprach gerade Englisch mit zwei Damen, aber die wollten Karten für den nächsten Tag und benötigten sowieso auch zwei. Im Vorbeigehen hörte ich, dass er seine 67-Euro-Karte für 10 Euro anbot. Kurzentschlossen übernahm ich diese Karte und ließ mein Billigticket verfallen, denn die 67er war so ziemlich die höchste Preiskategorie, und ich saß damit Parkett, in der Mitte, weit vorn, wow.
Der Typ stellte sich als Österreicher heraus und saß dann auch neben mir. Er war mehr oder weniger wegen Wagner extra aus Wien angereist, sagte dann mit diesem herrlichen Wiener Akzent, dass er die »Meistersinger« seit über einem Jahr nicht mehr gehört habe, und »ich woihhht mir auch Hahhhmburg mal ansehhhhhn«.
Der Typ war selbst Hobbysänger und kannte sich auch sehr gut aus in Opernsachen. Außerdem schleppte er »Erniedrigte und Beleidigte« von Dostojewski mit sich herum.
In den Pausen immer wieder ein bisschen Klatsch und Tratsch aus der Opernwelt, ich versuchte meine Wissenslücken mit der Erwähnung von glücklichen Highlightbesuchen in Spitzenhäusern wie der Royal Opera und der Met auszugleichen, und der Typ wusste dann auch immer gleich, wer da welchen Part bei den entsprechenden Vorstellungen gesungen hatte. Ich erwähnte natürlich auch die beinahe unzähligen Besuche meiner Lieblingsoper »Turandot«, nur um zu hören (wieder mit wienerischer Betonung), »ja, für den Kahhlahhf gibt’s ja im Momeeennt gar keine Stiemmme«.
Wir sind dann nach der Oper noch essen gegangen und unterhielten uns über alles Mögliche, bis ich, wie immer, irgendwann Leo Perutz erwähnte, der ja auch irgendwie Wiener war, und irgend etwas passte jedenfalls und verleitete zu einem pindarischen Sprung. Ich beschrieb dann ungefähr, was Perutz gemacht hat – denn der Hobbysänger hatte noch nie von ihm gehört –, also, dass er häufig bei historischen Ereignissen im historisch wenig bis ungeklärten Raum Nebenrollen platzierte, und den Sänger erinnerte das doch tatsächlich an: Christa Wolf. »So wie Christa Wolf in Medea«, sagte er.
Christa Wolf und Leo Perutz, was für eine Combo. Aber »Medea« werde ich nun mal lesen müssen, der Rest von C. Wolf gefiel dem Herrn Sänger auch nicht so richtig.
Am 20. September 2009 um 09:53 Uhr
Da sollte sich der Herr Sänger mal Zeit nehmen und sich intensiv mit dem Werk einer Christa Wolf befassen, er wird viel Interessantes , Wissenswertes und auch Nachdenkliches finden.
W.
Am 20. September 2009 um 17:55 Uhr
Meistersinger „seit über einem Jahr nicht mehr gehört“…
Als ich in Wien wohnte, ging ich wenigstens einmal die Woche in die Staatsoper (grandiose Stehplätze im Parterre, für läppische 3,50 Euro zu haben…), und wurde selber Teil der Stammbesucherszene, die sich Tag für Tag 2-3 Stunden vor Beginn der Vorstellung an der linken Seite der Staatsoper versammelt. Typischer Dialog :
Ich: „und? wie haben Sie die Tote Stadt gefunden?“
Alter Wiener: „Na ja… alles in allem nicht so schlecht… Bin aber schliesslich nur fünfmal hingegangen…“