Der Eisbeutel-Effekt

Hamburg, 10. Juli 2009, 11:01 | von Dique

Nach der Lektüre seines Gesamtwerks lese ich nun nach langem Versäumnis endlich auch mal eine Perutz-Biografie. Darin steht ein schönes Zitat über einen Perutz-Roman, welches auch auf Pacos »Thanatos«-Erweckungserlebnis passt und irgendwie auch zu meinem Erlebnis neulich mit »Stine« und »Turlupin«, bei deren Lektüre ich dann doch irgendwann wieder mit hinweggerissen wurde:

»Und dann bekommt man auf Seite 128, auf der vorletzten des Buches, wie mit einem Eisbeutel, einen so merkwürdigen Schlag vor den Magen, daß man die unendliche Geschick­lichkeit des Geschichtenschreibers Perutz wieder bewundern muß.« (cf. hier)

Das Zitat stammt von Peter Panter alias Tucholsky, und da es sich aber schon fast auf den Schluss bezieht, erinnert es vielleicht eher an den ungeheuren Tempogewinn oder eher die Ungeheuerlichkeit der letzten 5 Seiten von »Grete Minde«. Als ich neulich Paco hier im Café Stenzel traf und meinte, dass ich bis vor dem Losgehen noch »Grete Minde« las und nur noch 5 Seiten fehlen würden, sagte er, dass ich noch gut schockiert sein würde, und ich grübelte die ganze Zeit, was da noch Überraschendes auf mich zu kommen könnte. Und was dann auf diesen letzten Seiten passierte, war dann der Eisbeutel-Effekt in Reinkultur.

Und hier noch ein lustiges Zitat aus einem Perutz-Brief:

»Triest ist jetzt von Hochzeitsreisenden überfüllt, die den ganzen Tag am Molo herumlungern und leere Tranfässer photographieren. Wer ihnen begegnet, den belästigen sie und verlangen 100 Auskünfte. Und wenn man glaubt, sie los zu sein, stellen sie sich vor. Sie fragen, ›komm ich hier wohl zum Kastell?‹, und man sagt z. B. ›Ja‹ und will weitergehen. Aber er läuft nach und packt einen beim Arm: ›Ich danke schön, mein Name ist Tille.‹ Heute haben mich zwei solche Kerle angepackt und verlangten: ›Ach, bitte, könnten Sie uns nicht in eine echte italienische Trattoria führen?‹ Ich habe mich gerächt und sie in die hiesige koschere Auskocherei geschleppt, und dort sitzen sie jetzt und fressen Scholet.« (S. 17f.)

Das ist doch auch sehr geil. Ein ziemlicher Hit ist außerdem – darauf machte das Buch gerade noch einmal in anderem Zusammenhang aufmerksam –, dass der Rebellenführer im »Marques de Bolibar« einfach mal der Gerberbottich heißt. Auch sehr schön, fast so schön wie der Malefiz-Baron im »Schwedischen Reiter«.

Viele Grüße,
Dique

Einen Kommentar schreiben