Voyage Voyage (Teil 5):
Der Tourismus-Superlativ
Konstanz, 19. Dezember 2009, 08:12 | von Marcuccio
Am 26. April 2009 definierte Andreas Lesti in der Randspalte des FAS-Reiseteils den Tourismus-Superlativ.
Beispiele für diese grammatikalische Sonderkategorie kennt man ja: Der zweithöchste freistehende Berg der Welt, der drittgrößte Binnensee Mitteleuropas, die längste baumfreie Nordabfahrt in den Westalpen usw.
»Da muss man erst mal abholzen, um zu erkennen, dass es hier um die ›längste Abfahrt der Alpen‹ geht. Weil es aber nicht die längste Abfahrt der Westalpen ist, und auch nicht die längste Nordabfahrt der Westalpen, rechtfertigt sich dieser Superlativ erst über die vierte baumfreie Einschränkung.«
Und weil Lesti ein ausgewiesener Kenner alpiner und anderer Superlative ist, liefert er uns die lexikonfertige Definition des Tourismus-Superlativs gleich dazu:
»Das Grundprinzip des Tourismus-Superlativs lautet: Man muss ihn so lange einschränken, bis die Kategorie so speziell, spezieller, am speziellsten ist, dass es keine Gegner mehr gibt. Die Marketingleute gehen also nicht vom Superlativ selber aus, sondern von der Konkurrenz, die sich durch – das muss man zugeben – beachtlich kreative Einschränkungen eliminieren.«
Im Guinness-Buch der (Pseudo-) Rekorde würde der touristische Superlativ also wahrscheinlich noch nicht einmal auffallen. Schön wäre aber auch mal eine Art Enzensberger-Poesieautomat der Fremdenverkehrssprache, in der jede (vermeintliche) USP einer Destination automatisch einen so noch nie gehabten Superlativ erzeugt. Die generative Grammatik des Tourismus freut sich jedenfalls auf weitere Kapitel.
(Der Lesti-Artikel ist leider nicht online, Spuren davon hier.)