Charles Matton in Jena
Jena, 28. Januar 2010, 14:15 | von PacoSchnell nach Jena in die Charles-Matton-Ausstellung (in der Göhre, noch bis 21. Februar). Es ist ja die erste ihrer Art in Deutschland, und da hatte es sich selbst SP*N nicht nehmen lassen, darüber zu berichten. (An den anderen Feuilletons ist das vorbeigegangen. Schande, Schande, Schande!)
Die Genrebezeichnung der ausgestellten Werke lautet boîtes, Boxen. Das sind diese absonderliche Guckkästen, an denen Matton seit Mitte der Achtziger bis zu seinem Tod vor etwas mehr als einem Jahr herumgebaut hat. Sie zeigen das Zimmer einer unordentlichen Frau (Spielkarten, zerwühlte Decken, Revolver auf dem Kissen), Hotelszenen oder Künstlerateliers, etwa die von Francis Bacon und Alberto Giacometti. Die Boxen lassen sich als bloße Kulissennachbauten interpretieren oder aber als extrem originäre Überkunst.
Die Logik der Spiegel
16 der insgesamt knapp 100 von Matton gefertigten Boîtes sind in Jena ausgestellt (daneben auch noch ein paar Dutzend Fotografien). Die Kantenlängen der Boxen, die in Sichthöhe aufgebahrt sind, betragen jeweils zwischen 50 und 100 cm. Die gläserne Frontseite gibt den Blick frei auf die jeweilige Miniaturszene. Durch die obere Abdeckung strömt ab und zu noch etwas künstliches Licht.
Die den realen Gegenständen nachgebildeten Einzelelemente in den Kästen hat Matton meist aus Kunstharz und Marmorstaub angefertigt. Das waren sicher so fitzelige Sessions wie damals vor 400 Jahren, als Adam Elsheimer seinen perfektionistischen Sternenhimmel auf diese eine Kupferplatte setzte. Das wichtigste Stilmittel aber sind (vor allem teildurchlässige) Spiegel, deren Logik nicht immer leicht zu durchschauen ist. Sie verlängern einen Weinkeller, eine Hotelhalle oder gleich die Bibliothek zu Babel ins Unendliche.
Zeitungen, immer wieder Zeitungen
In der Box mit der Babel-Bibliothek, eine Hommage an Borges, sieht man naturgemäß volle Bücherregale und eben endlos scheinende Gänge. Matton hat die Szene aber eher frei gestaltet: An den Bücherregalen hängen miniaturisierte Poster von Rimbaud, Proust, Joyce und anderen Kanonschriftstellern, das erinnert dann eher an ein Jugendzimmer. Und über dem Geländer hängt komischerweise eine »Wiener Zeitung«.
Und überhaupt, die Matton-Boxen lassen sich auch als Parteinahme pro Holzmedien lesen. Denn in fast allen Boxen stehen Bücher und liegen Zeitungen en miniature herum. Zeitungen, immer wieder Zeitungen. In einer leeren Hotelhalle flattert eine FAZ herum. In Sigmund Freuds Arbeitszimmer wieder die »Wiener Zeitung«. Sonst natürlich viele »Le Monde«-Exemplare, sogar auch noch in Sacher-Masochs Dachstube, wo eine »Le Monde« direkt vor einem Abu-Ghuraib-artig gefesselten Mann liegt, zusammen mit einer Ausgabe des »Chronicle« und einem aufgeschlagenen Buch.
Foto der Box »Bibliothek zu Babel«:
Stadtmuseum Jena
Am 1. Februar 2010 um 10:29 Uhr
[…] Der Umblätterer » Charles Matton in Jena […]
Am 19. März 2014 um 21:05 Uhr
Jaaa, ich habe diese wunderbare Ausstellung in Jena besuchen dürfen, die ihresgleichen nirgendwo in Deutschland hatte. Seitdem bin ich auf der Suche nach Kunstwerken und Ausstellungen von Charles Matton. Wer weiß etwas ?????