25 Jahre Coen-Kino (11):
The Ladykillers (2004)

Hamburg, 13. Februar 2010, 08:16 | von San Andreas

The Ladykillers (Icon)

Professor Goldthwaite Higginson Dorr mietet sich bei Witwe Munson ein, um von ihrem Keller aus mithilfe einer Bande kleinkrimineller Handlanger ein Casino anzuzapfen. Die Dame riecht den Braten und muss aus dem Weg geschafft werden. Leichter gesagt als getan …

Coen Country. Saucier, Mississippi. Gefilmt wurde jedoch in Natchez, weil da günstigerweise der Mississippi durchfließt. Eine Rückkehr ins »O Brother«-Land.

Coen Klüngel. J.K. Simmons (Garth Pancake), Carter Burwell (Musik), Roger Deakins (Kamera)

Coen Quote. »Madam, we must have waffles! We must all have waffles forthwith!« (Professor Dorr bestellt Waffeln für sich und seine Freunde)

Coen Gold. Die Müllbarkassen, die in einem fort eine riesige Halde mitten im Mississippi ansteuern und sich träge durch den Nebel schieben, sind ein netter Touch und nebenbei eine willkommene Möglichkeit, lästige Leichen loszuwerden.

Classic Coen? Wenn man von allen Coen-Filmen nur einen auslassen wollen würde: Es müsste dieser sein.

Die Frage lautet: Warum? Warum ein Remake, und warum die Coens? Das Original, eine quirlige, launige, dunkelhumorige Groteske von 1955 mit dem unsterblichen Sir Alec Guiness und dem noch unsterblicheren Peter Sellers gilt als Klassiker und hat nie nach einem Remake verlangt. Feinste englische Exzentrik hatte in der milde satirischen Krimifarce ihre Erfüllung gefunden, fertig.

Natürlich hatten Millionen Amerikaner keine Ahnung davon, und Barry Sonnenfeld, einst Kameramann bei den ersten drei Coen-Filmen und mittlerweile eine sichere Bank als Regisseur von Big-Budget-Komödien (»Addams Family«, »Men in Black«), plante eine Neuverfilmung. Die Coens erklärten sich bereit, das Skript dafür zu liefern, und als Sonnenfeld sich dann doch von dem Projekt zurückzog, sprangen die Coens kurzerhand auf den Regiestuhl. Bad move.

Möglicherweise hatte die Coens es gereizt, ins Südstaaten-Ambiente zurückzukehren, diesmal nicht den Bluegrass, sondern die Gospelmusik zu zelebrieren und ein Ensemble schräger Figuren in Szene zu setzen. Die Schauwerte stimmen auch, und Tom Hanks, gegen seinen Typ besetzt, sammelt eine Handvoll Charme-Punkte. Aber unter der Fassade ist der Film geistesabwesend, gefühllos und gemein.

Das Fingerspitzengefühl der Coens: nahezu wie weggeblasen. Abgesehen davon, dass es keinen erkennbaren Anlass gibt, diese Geschichte ins Mississippi-Delta zu transportieren, entwerfen sie Figuren ohne Esprit, casten wild durch den Kräutergarten. Schlimmer noch: Ihre ethnischen Charaktere – sonst eine Spezialität in jedem Coen-Film – wirken hier wie respektlose Abziehbilder. Sogar Mrs. Munson, die eine liebenswerte, tüdelige, gemütliche Mama hätte werden können, erscheint als einfältige Matrone.

Der Film schwankt nicht nur im Ton, er vergreift sich auch darin. Das unausgesetzte Fluchen des von Marlon Wayans gespielten (?) ›Hippety Hopp‹-Tölpels verträgt sich weder mit Professor Gorrs distinguiertem Duktus (»I scarcely contain my glee.«) noch mit Mrs. Munsons Bibelgebrabbel. Der Kontrast ist als komisch gedacht, wirkt aber angestrengt. Jedes ›fuck‹, und es hagelt 89 Stück davon, trägt eine vulgäre Unwucht in den Film, die ihn zumindest für Familien gänzlich unkuckbar macht.

Gut, Familientauglichkeit soll kein Kriterium für die Qualität eines Films sein, schon gar nicht eines Films der Coens, zumal sich hier gegen Ende die Leichen häufen. Aber wenn das Skript bereits zu Beginn ein Hündchen in einer WWI-Gasmaske jämmerlich ersticken lässt, just for the fun of it, muss man sich schon fragen, wo die Coens ihren Geschmack gelassen haben.

Zu allem Überfluss wird der Figur, die der sonst wunderbare J.K. Simmons spielen muss, ein lautstarkes Verdauungsproblem angedichtet; spätestens hier merkt man, wie händeringend der Film nach Pointen grabscht, und sich traurigerweise mit einigen billigen zufrieden gibt. Garth Pancake heißt der Mann überdies, ein nicht besonders gut ausgedachter Name, möchte man meinen. Dann erfährt man, dass der tumbe Kraftmensch in der Truppe – eine Figur, mit der der Film so gut wie nichts anzufangen weiß – den Namen Lump Hudson trägt. Lump? Das ist nicht mal ein Name.

Nun ja. Fotografiert ist der Film jedenfalls makellos, die Musik kann man sich antun, manche Gags funktionieren sogar (Pancake demonstriert die Hammer-Resistenz seines Sprengstoffs), und mit Professor Gorr haben wir tatsächlich eine Art Coen-Archetyp im Arsenal, einen blumigen Vielredner, der nicht wirklich etwas sagt und doch einiges auf dem Kerbholz hat. Allein, niemand im Film ist ihm ebenbürtig, was ein echter Jammer ist. Das Ensemble klickt nicht ineinander, und damit fällt der gesamte Film in sich zusammen. Er hätte vielleicht den Farelli Brothers zur Ehre gereicht, nicht aber den Coen Brothers.

Besiegelt schien ihr Schicksal. Eine der am konsistentesten Qualität liefernden Karrieren Hollywoods hatte sich verzettelt, verhoben, verrannt. Es musste schon ein sehr, sehr, sehr guter Film folgen, um diese Scharte auszuwetzen.

Was prompt geschah.

Coen Culture. Dies ist der erste Film im Coen-Œuvre, der in den Credits beide Namen, Joel und Ethan Coen, sowohl als Regisseure als auch als Produzenten verzeichnet. Diese Aufgaben teilen sich die Brüder seit jeher, aus gewerkschaftlichen und rechtlichen Gründen wurde aber immer Joel als Regisseur und Ethan als Produzent aufgeführt. Seit 2004 gelten die Coens offiziell als ›Established Duo‹, womit die Trennung in den Credits nicht mehr vonnöten ist.
 

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