Die FAS vom 13. Juni 2010:
Der Sfumato-Look alter Gemälde
Leipzig, 13. Juni 2010, 16:12 | von Paco
Sigmar Polke ist gestorben, auf der Frontpage des heutigen FAS-Feuilletons wurde daher heute die rechte obere Ecke schwarz gemalt, schönes Zitat.
In der Seitenleiste direkt darunter hängt dann, Themenwechsel, der Aufruf einiger Kulturmenschen, die sich für Joachim Gauck als zukünftigen Bundespräsidenten aussprechen. Nicht dabei ist der Name Christa Wolf, das hat bekannte Gründe, aber da nächste Woche bei Suhrkamp eh ein neuer Roman von ihr erscheint, muss sie auch keine Petitionen unterschreiben, um es auf die erste Seite des FAS-Feuilletons zu schaffen.
Christa Wolf ein Trekkie?
Volker Weidermanns Artikel zum Buch ist eventuell, soweit meine Vermutung, besser als das Buch selber, ein Christa-Wolf-Buch mit Christa-Wolf-Themen:
»Sie, die Autorin der Selbsterforschung und der Wahrheitssuche – sie hat vergessen, dass sie eine Weile lang Informelle Mitarbeiterin der Staatssicherheit gewesen ist und Berichte über Kollegen schrieb. ›Das hatte sie vergessen.‹ Dieser Satz ist der Angelpunkt des Romans.«
Es geht auch einmal mehr um den 4. November 1989 usw. usw., aber immerhin trägt das Buch den schönen Doppeltitel »Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud« und spielt in Kalifornien, wo sich die im Buch vorkommende DDR-Schriftstellerin kurz nach der Wende als Stipendiatin aufhält.
Und so werden auch ein paar andere Sachen in das Buch gespült, zum Beispiel »Star Trek«, und zwar das »Next Generation«-Star-Trek mit Käptn Picard. Die Autorin schaut sich das jedenfalls Abend für Abend an, trinkt dabei eine Margarita und isst ein Käsebrot.
Roland »Shakespeare« Emmerich
Für die Rubrik »Nackte Wahrheiten« (S. 29) hat Peter Richter festgestellt, dass Joachim Gauck das FAS-Feuilleton liest, denn auf der großen Spargelfahrt des »Seeheimer Kreises« der SPD hat er den Aufmacher der letzten Woche zitiert.
Auf derselben Seite findet sich ein Bericht vom Set des neuen (oh Gott:) Roland-Emmerich-Films »Anonymus«. So schlimm wie zuletzt scheint es aber nicht zu werden, es geht immerhin um: Shakespeare! Um die immer mal wieder infrage gestellte Urheberschaft seiner Werke.
Der Film wird in Babelsberg gedreht, und der Peter-Körte-Artikel ist vor allem ein Lob des Szenenbildes: »Die Halle ist neblig, was weniger das Londoner Wetter simulieren als den Bildern jenen Sfumato-Look alter Gemälde verleihen soll, den Emmerich und seine Kamerafrau Anna Foerster im Auge haben.«
Noch eine schöne Beobachtung: »Das Casting im Brandenburgischen hat viele bäuerliche Physiognomien zu Tage gefördert«. – Zum Schluss des Artikels wird vorgeschlagen, die Kulissen des nachgebauten Globe Theaters nach dem Dreh nicht abzureißen, sondern stehen zu lassen: »Da wird sich doch in Berlin wohl irgendwo eine Freifläche finden.«
Ich las dann noch ein wenig kreuz und quer, und genau in dem Moment, als ich die FAS aus der Hand legte, verschwand die Sonne hinter einer dicken Kumuluswolke.
Am 13. Juni 2010 um 18:04 Uhr
Paco, danke für den Überblick. Meine FAS ist nämlich heute nicht gekommen – tippe mal wieder auf Zeitungsklau :-(
Am 13. Juni 2010 um 18:25 Uhr
Wie herrlich garstig ist das denn? Könnte es sein, dass es den Unterzeichnern um die Sache ging und sie gar nicht wussten, in welcher Form und welcher Platzierung die Petition in der FAS erscheinen würde?
BTW: Hast Du vor, das FAZ-Interview mit Martin Kluger, Ulrich Peltzer und David Wagner über US-Fernsehserien und die Wechselwirkung zwischen ihnen und aktueller Roman-Poetologie zu behandeln? Wäre super. Ich würde das so gern aus Sicht eines LOSTies lesen!
Am 13. Juni 2010 um 19:00 Uhr
Hi Ben, du kriegst den Sonderpreis im Witzeerklären, hehe. Zu dem Interview kommt hier vielleicht wirklich noch was in irgendeiner Form. Jetzt, da sich Christa Wolf als Trekkie geoutet hat und bei ihrer nächsten Lesung sicher im Spock-Kostüm auftreten wird, ist alles möglich.
Am 13. Juni 2010 um 20:42 Uhr
Sorry fürs spoilen :-) CW als Spock wäre allerdings ein Hit!