Bundespräsidiales Feuilleton
Konstanz, 30. Juni 2010, 07:07 | von MarcuccioUnter rein feuilletonistischen Gesichtspunkten bleibt ja bis auf weiteres nur ein Bundespräsident wählbar.
Einer, der Hodler und Goya zum Amtsantritt genauso souverän besprochen hat wie er Max-Reinhardt-Inszenierungen rezensiert oder Detlev von Liliencron zum 60. gratuliert hat. Der seine »Architektur-Notizen aus Belgien und Holland« ebenso ins Amt mit einbringt wie seine Abhandlungen über »Gotik in Paris« oder das Baptisterium von Florenz.
Einer, der bundespräsidiale Stippvisiten schon 1909 in Naumburg geübt hat: »Dreieinhalb Stunden Zeit. Es muß reichen. Ich will ja nur die alten Statuen im Dom ansehen.«
Ein Bundespräsident, der zudem auch mit der politischen Farbenlehre vertraut scheint:
»Reichlich viel Violett – das sind die geistlichen Gebiete –, allerhand reichsunmittelbare Grafschaft und Ritterschaft, einige vorderösterreichische Landvogteien, dazwischen eingesprenkelt das harte Rotbraun der Reichsstädte.«
Voilà, Theodor Heuss, wie er sich gerade mit dem Putzger-Atlas in Kunstreiselaune bringt. Heuss – der Abiturient, der keine Ahnung hatte, was er studieren wollte, aber dann halt mal mit »Nationalökonomie, Staatslehre, Philosophie, Historie, Kunstgeschichte und Literatur« begann – im Prinzip konnte dieser Heuss nur ein guter Feuilleton-Allrounder werden.
»Einen eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelte er aber nicht«, schreibt Reiner Burger von der FAZ in seiner Studie »Theodor Heuss als Journalist«. Vielmehr liegt die Schreib-Leistung dieses Bundespräsidenten im soliden Bildungsfeuilleton, Burger spricht denn auch vom »Volkshochschulkurs in gedruckter Form«, hehe.
Spannend auch Heuss als Role Model des landsmannschaftlich gefärbten Feuilletonismus, wie er uns in Form von Peter Richter (Sachsen) oder Claudius Seidl (München) bis heute begegnet. So sympathisch befangen zum Beispiel Nils Minkmar immer über das Saarland (be)richtet, so ungeniert lässt Heuss keine Gelegenheit aus, seine schwäbischen Dichter zu promoten.
Heuss hat über »Weinbau und Weingärtnerstand in Heilbronn a. N.« promoviert, zeigt sich in seinen Reisereportagen aber durchaus geschmacksoffen: »Der Wein von Ischia ist recht ordentlich; wir kannten uns schon und haben in den paar Tagen des Besuchs gute Kameradschaft gehalten.«
Sämtliche Originalzitate aus der Sammlung »Von Ort zu Ort« (hrsg. von Hermann Leins, Tübingen 1959, mehrere Auflagen, zuletzt 1986 bei der DVA), antiquarisch erhältlich.