Mit San Andi und Arcimboldo in Washington

Hamburg, 19. Dezember 2010, 08:23 | von Dique

Im September in Washington gewesen, einziges Ziel dieses Ausflugs: Besichtigung der National Gallery of Art. Wir reisen also von New York aus mit dem Greyhound Bus an und drehen nach Ankunft direkt Richtung Museum ab.

Es ist entsetzlich heiß hier, über vier Stunden haben wir gebraucht und nun, kurz nach 10, stehen wir vor dem richtigen all der klassizistischen Tempel, die da zwischen Lincoln Memorial und Kapitol aufgestellt worden sind.

Sofort stelle ich fest und zeige mich sehr erfreut darüber, dass gerade eine Giuseppe-Arcimboldo-Ausstellung stattfindet. Es handelt sich um die abgespeckte Version der Schau, die vor ein paar Jahren in Wien und Paris zu sehen war, den Katalog habe ich hier schon mal erwähnt.

Philip Haas, Winter (Quelle: Wikipedia)Damals habe ich auch wiederholt behauptet, dass Arcimboldo mehr ist als die Composite Heads, diese obskuren Porträts aus vornehm­lich Obst- und Gemüsestücken, aber im Fokus stehen sie trotzdem und hier ganz besonders: Gleich vor dem Eingang ist eine Leihgabe aus Wien aufgestellt, die von Philip Haas angefer­tigte Riesenattrappe des »Winters« aus Arcimboldos Jahreszeitenzyklus, nicht schlecht!

Ich will gleich in die Sonderausstellung stürmen, aber San Andis Missmut hält mich zurück. Er habe jetzt keine Lust, eigentlich sogar nicht nur jetzt, sondern überhaupt nie mehr Lust, sich diese blöden Gemüseköppe anzuschauen. Lieber sofort und ausschließlich in die Dauerausstellung!

Ich lasse mich von dieser Devise erst mal breitschlagen und erkläre, zunächst auch ein bisschen in die dauerausgestellte Sammlung mitzukommen und erst später allein zu Arcimboldo zu wechseln, um mir dann zum tausendsten Mal die wunderschönen Gemüseköppe anzusehen.

Wir schleichen durch die Hallen und bestaunen die Erwerbungen von Andrew W. Mellon, Samuel H. Kress und all den anderen groooooßen amerikanischen Sammlern. Im NGA hängt auch übrigens das einzige Ölgemälde von Leonardo in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika. Dieses Stück, die »Ginevra de’ Benci«, wurde 1967 aus der Sammlung Liechtenstein herausgekauft, um jetzt hier in der National Gallery zu sein. Die Wacholderfrau ist noch dazu viel schöner als die »Mona Lisa«, wenn auch unten um einige Zentimeter Leinwand beschnitten, weshalb ihre vermutlich formvollendeten Hände jetzt fehlen, aber auch die Hände der Nike von Samothrake zum Beispiel sind ja nur fragmentarisch überliefert, also!

Wegen des frühen Aufstehens haben wir unendlich viel Zeit, so kommt es mir vor, und wir begeben uns dann auch wie gewöhnlich erst einmal ausgiebig in die Museumskantine. Irgendwann frage ich aber trotzdem nach den Öffnungszeiten, und San Andreas, den ja stets der Nimbus des Sich-Auskennens umgibt, antwortet sofort und ohne zu überlegen: »Bis 21 Uhr.«

Dementsprechend gemächlich geht es auch nach dem ausgedehnten Essen weiter. Stundenlang unterhalten wir uns über die Süße und Farbe der amerikanischen Fanta und über das Blau des Brokatmantels der Madonna auf Jan van Eycks »Verkündigung«.

Und weiter geht’s durch die Ausstellung, und als es ca. Viertel nach vier geschlagen hat, frage ich trotzdem noch mal bei San Andi nach, ob er sich denn auch sicher sei, dass das Museum bis 21 Uhr geöffnet habe, und dann sagt er ganz normal, dass er das gar nicht wisse, er habe das mit den 21 Uhr nur so dahin gesagt, woher soll er denn die Öffnungszeiten ausgerechnet dieses Museums so genau wissen!

Ich habe nicht mal Zeit für eine Schockstarre, und ganz davon abgesehen, dass ich die amerikanische Sammlung noch nicht gesehen habe, sorge ich mich natürlich vor allem um meinen Besuch bei den Gemüseköpfen und frage besorgt den am nächsten stehenden Museums-Irrsigler, wann das Haus schließe. »Um 17 Uhr, in 35 Minuten!«

Sofort verschwinde ich gen Arcimboldo, »von der Sorge Qualen gejagt«, und erreiche 20 Minuten später und kurz vor Toresschluss die kleine Ausstellung und sehe noch alle 16 Composite Heads, die man von Europa hierher gebracht hat. Obst, Gemüse, Getreide, soweit mein Auge blickt!
 

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