100-Seiten-Bücher – Teil 9
Fritz Mauthner: »Der letzte Tod des Gautama Buddha« (1913)
Solingen, 26. Juli 2011, 09:09 | von Bonaventura
Fritz Mauthner (1849–1923) dürfte sich hart an der Grenze des kulturellen Gedächtnisses bewegen. Während meines Studiums waren seine »Beiträge zu einer Kritik der Sprache« noch viel besprochen, wenn auch wenig gelesen. Vom Dichter Fritz Mauthner wollte man aber schon damals nichts mehr wissen. Umso mehr war ich überrascht, als mir jetzt eine Neuausgabe seiner Erzählung um den Tod Gautama Buddhas in die Hände fiel.
Der 1913 erstmals erschienene Text ist eine direkte Reaktion auf die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einsetzende Popularisierung buddhistischen Gedankengutes in Europa. Erzählt werden die letzten Tage Gautama Buddhas, stofflich weitgehend orientiert an den Legenden. Inhaltlich allerdings nimmt Mauthner, ähnlich wie später auch Hermann Hesse in seinem »Siddhartha«, eine deutlich distanzierte Haltung zu der offenbar als zu pessimistisch empfundenen Lehre ein. Mauthner lässt seinen Buddha nicht nur die Abkehr von allem Weltlichen hin zu einer Bewunderung der Schönheit der Welt und des Lebens überwinden, er erfindet auch eine letzte Lehrpredigt Buddhas hinzu, die sogenannte Schmetterlingspredigt, in der die bunten Flattermänner zum großen Paradigma einer lebensbejahenden Existenz ohne Wollen und Denken geraten.
Etwas spannender als diese religiöse Gymnastik gerät die Beschreibung der Jünger des Erleuchteten. Während sich Buddha um letzte Einsichten und die Überwindung des Sterbens bemüht, finden unter seinen Schülern die ersten Verteilungskämpfe um Macht und Einfluss in der zukünftigen buddhistischen Kirche statt. Hier findet sich Mauthners eigentliche Absage an den Buddhismus: Die Lehre Buddhas ist diskutabel, der kirchlich organisierte Buddhismus ist es nicht.
Sprachlich dürfte die Erzählung ebenso wie Hesses Pendant heute als etwas schwülstig empfunden werden, ansonsten ist sie ein nettes, kleines Schmuckstück für alle, die sich ein wenig für Buddhismus oder Fritz Mauthner interessieren.
Fritz Mauthner: Der letzte Tod des Gautama Buddha. München; Leipzig: Müller 1913.
Fritz Mauthner: Der letzte Tod des Gautama Buddha. Leipzig: Superbia-Verlag 2005.
Fritz Mauthner: Der letzte Tod des Gautama Buddha. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Ludger Lütkehaus. Lengwil-Oberhofen: Libelle 2010. S. 5–110. (= 106 Textseiten)
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)
Am 26. Juli 2011 um 10:18 Uhr
[…] für die Reihe 100 Seiten beim Umblätter, wo eine leicht gekürzte Fassung dieses Textes erschienen ist.) Tags: Belletristik, 20. Jahrhundert, Österreichische Literatur, […]
Am 27. Juli 2011 um 07:35 Uhr
Ich habe mich gerade erst vor ein paar Tagen aufgemacht, die Liste nachzuarbeiten. Gerade stecke ich in in Pär Lagerkvists „Barabbas“; liest sich ein bisschen wie Luise Rinsers katholischer Schmarrn unter Beigabe von Tranquilisern. Aber darüber will ich mich gar nicht beschweren:
Fritz Mauthner, den auch ich noch aus Studienzeiten kenne (ohne dass sich irgendjemand gefunden hätte, der über derlei diskutierte), taucht ganz unangekündigt auf.
Und ich hatte doch die Hoffnung, Ende 2012 mit der Liste „durch“ zu sein. Jetzt bin ich ganz hoffnungslos. Das ist ja zum Buddhistwerden. Grausam.