Donna Leon bringt den Müll raus
Venedig, 14. August 2011, 04:26 | von AustinSommerzeit. Reisezeit. Die Welt trifft sich in Venedig. Am Eindrucksvollsten darauf eingestellt war der Akkordeonspieler auf Torcello, der seine Musik nach der Nationalität der Passanten ausrichtete; ich bekam »Mein Hut, der hat drei Ecken« ab, die französische Familie vor mir »Frère Jacques«, hinter mir hörte ich dann »O sole mio«.
Gesperrt wegen Bauarbeiten waren in der Galleria dell’Accademia die Säle 5 & 6 sowie 8 & 9 & 11 & 21 und auf San Giorgio Maggiore das Refektorium. Nichtsdestotrotz hier die Top drei Tintoretto-Gemälde in Venedig nach Meinung des Umblätterers:
1) Scuola di Gran Rocco: Die Versuchung Christi. Is it a girl? Is it a boy?
2) Accademia: Der Traum des Heiligen Markus. Als hätte Tintoretto einen Workshop bei El Greco belegt.
3) Madonna dell’Orto: Der Tempelgang Mariens. It’s showtime …
Und die ganze Verzweiflung, die ein Kultururlaub in der Ferne auslösen kann, sie trifft den sehr jungen, strahlend schönen Schwulen, der als ein Objekt seiner selbst durch die Galleria streift, ganz allmählich seinen All-American Parents hinterher; vor Tintorettos »Vertreibung aus dem Paradies« hört man sein unendlich gequältes, leises Jaulen: »Oh no, my camera is dying.«
Zur Phänomenologie des Museumsbesuchers ist zu sagen – den deutschen Kultur-Touristen erkennt man in italienischen Museen neben den Kommentaren (»Haben wir gestern nicht auch eine Verkündigung von Veronese gesehen? Oder war das Bellini?«) sehr gut an der langen Leinenhose. Seit wie vielen Auflagen postet der Baedeker eigentlich schon sein gusseisernes Kleidungsgebot, dass niemals Italiener es wagen würden, in Sommerbekleidung eine Gemäldegalerie zu betreten? Machen sie doch, und zwar zahlreich. Vielleicht kann man das im Text ja mal ändern bei Gelegenheit, das wäre ein guter Beitrag zur allgemeinen Sommerfrische.
Ansonsten bin ich dreimal von japanischen Reisegruppen auf der Terrasse beim Frühstück fotografiert worden, und am letzten Abend tobte ein Gewitter über der Stadt, zweimal schlug der Blitz in Palladios San Giorgio ein, und eine geschmackvoll gekleidete ältere Dame, von der ich schwören könnte, es war Donna Leon, öffnete zaghaft ihre Haustür und hängte den Müllbeutel an den Knauf.
Am 14. August 2011 um 07:31 Uhr
ich bin jetzt seit 5 1/2 monaten in asien unterwegs und haette ich fuer jeden schnappschuss mit meiner wenigkeit einen dollar kassiert – ich wuerde mit nem plus aus der nummer rauskommen.
und ich sehne mich nach langen leinenhosen in meiner umgebung. die ganzen ali-baba-hosen zippelzappelzausel – ich kann sie nicht mehr sehen.
Am 15. August 2011 um 13:00 Uhr
Irgendwo in meinem Hinterkopf war gespeichert, dass MEIN HUT DER HAT DREI ECKEN keine „deutsche“ Melodie ist (nebenbei: auch Mahler hat’s in einer seiner Sinfonien zitiert).
Und tatsächlich, es ist…:
„…die Melodie von „Oh cara mama mia“, das auf eine neapolitanische Canzonetta von vor 1816 zurückgeht …. Niccolò Paganini spielte in seinen Konzerten Variationen über diese Melodie und zwar unter dem Titel „Carnevale di Venezia“ op. 10. ..“
.
= Carnevale di Venezia (!)
Am 15. August 2011 um 13:18 Uhr
Donna Leon wohnt im Norden Venedigs, im Canareggio-Viertel.
Am 15. August 2011 um 14:24 Uhr
„… bringt den Müll raus.“
Dachte erst, es geht um den soundosvielten neuen „Krimi“ der Dame. In Wirklichkeit ist es ja immer derselbe, den sie einfach jedes Jahr neu veröffentlicht. Merkt eh keiner.
Warum mittlerweile nur noch die Deutschen auf diesen Commissario-Quark abfahren, müßte mir mal einer erklären. Der Rest der Welt ist auch hier offenbar geschmackssicherer.