Acht mal acht
Leipzig, 12. April 2012, 13:10 | von PacoLetzten Sonntag stieg ich also in den ICE, um von Dresden zurück nach Leipzig zu fahren. Ich hatte einen Schokoladenosterhasen und die FAS dabei. Zuerst las ich voller Begeisterung das sehr schöne Interview, das Volker Weidermann mit Marcel Reich-Ranicki geführt hat (S. 19). Während ich aber auf die nächste Seite umblätterte, hörte ich plötzlich etwas, das mir die ganze restliche Reise verdarb.
Und zwar saßen in der Reihe links neben mir ein Vater und sein Sohn. Der Junge war mehr oder weniger im Grundschulalter und fragte seinen Vater einfach mal so, wie viel acht mal acht sei. Und der Vater gab ihm freundlich und überzeugend die Antwort:
Der Junge war zufrieden, er blätterte weiter in seinem Bilderbuch und murmelte leise vor sich hin. Natürlich hatte ich noch mal nachgerechnet, acht mal acht ist vierundsechzig, da war ich mir trotz kurzer Verunsicherung wieder ziemlich sicher. Mit einer Mitreisenden schräg gegenüber gab es einen kurzen Blickkontakt, denn auch sie hatte aufgehorcht und aufgeschaut, als der Vater sein Verbrechen gegen die Mathematik beging, aber dann hatte sie einfach weiter in der »taz« gelesen, als ob nichts geschehen wäre.
Mir dagegen stellte sich nun die Dr.-Dr.-Erlinger-Frage, ob ich den Vater korrigieren sollte, hier vor versammelter Mannschaft im ICE. So was geht natürlich aus verschiedenen guten Gründen eigentlich nicht, niemals, das ist vielleicht das Furchtbarste, was man so machen kann, fremde Eltern fremder Kinder vor einem Haufen fremder Menschen inhaltlich zu korrigieren.
Trotzdem konnte ich mich kaum konzentrieren, als ich dann angestrengt versuchte, weiter in der FAS zu lesen. Während der Schokohase unangetastet auf dem Nebensitz hockte, steigerte ich mich immer weiter in meine Weltrettungsidee hinein. Mittlerweile war eine Stunde verstrichen, ich konnte jetzt unmöglich noch an vorhin anknüpfen, war aber immer überzeugter davon, dass ich es dennoch tun muss, auch wenn es mir absolut zuwider war. Und deshalb freute ich mich wie nie zuvor, als per Durchsage die baldige Ankunft in Leipzig angekündigt wurde.
In diesem Moment hörte ich den Jungen wieder etwas fragen, wieder das Einmaleins betreffend, diesmal ging es ihm um sieben mal neun. »Papi, wie viel ist sieben mal neun?« Und während ich den Vater in Zeitlupe den Mund öffnen sah, hatte ich die FAS zusammengeschlagen, hatte mir den Schokohasen geschnappt, war vom Sitz hochgesprungen und rannte den Gang runter. Ich wollte auf gar keinen Fall auch noch wissen, wie viel sieben mal neun ist.
Am 12. April 2012 um 13:33 Uhr
Bester Kommentar zu sämtlichen Grass-Debatten ever.
Am 12. April 2012 um 13:49 Uhr
[…] analysiert die Grenzen in der Weltsicht des Nobelpreisträgers. Dazu ist nun fast alles gesagt worden. Grass will sich sicherlich mit einer […]
Am 12. April 2012 um 14:06 Uhr
@Lou Bega: Bester Kommentar zum besten Kommentar zu sämtlichen Grass-Debatten ever.
Am 12. April 2012 um 14:09 Uhr
Oh. Mega. Entschuldigung.
Am 12. April 2012 um 14:46 Uhr
Wunderbar!
Am 12. April 2012 um 17:24 Uhr
Jawohl, es gibt in der Welt folgenreicheres Elend als das Geschreibsel alternder Gs.
Am 12. April 2012 um 22:19 Uhr
Schade, man hätte jetzt gerne erfahren, was der Vater auf die zweite Mathematikaufgabe geantwortet hat. Wan weiß ja, dass neun mal sieben feinen Sand ergibt.
Am 13. April 2012 um 09:37 Uhr
Nette Anekdote…….
Und zur Beruhigung: Der Junge hat die Antwort des Vaters im selben Moment wieder vergessen. Was ihm aber im Gedächtnis bleibt, ist die Tatsache, dass er einen Papa hat, der ALLES weiß.
Mir ist jetzt allerdings rätselhaft, warum dieser Post heute beim Bildblog verlinkt ist. Nur weil FAS und TAZ drin vorkommt?
Am 13. April 2012 um 09:51 Uhr
aber der beste kommentar zur Grass-Debatte ist doch von Pigor!
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/corso/1727218/
Am 13. April 2012 um 10:33 Uhr
das interview mit mrr war völlig konfus und schlecht geführt. noch nie ein gutes itv gelesen?
Am 13. April 2012 um 11:18 Uhr
„Freiheit ist die Freiheit zu sagen, daß acht mal acht gleich zweiundsechzig ist. Sobald das gewährleistet ist, ergibt sich alles andere von selbst.“ ;-)
Die Wahrheit spricht für sich selbst. Im Grundschulalter dürfen Kinder schon mal erfahren, dass Papa nicht immer recht hat. Vor allem bei einem so unerhörten und skandalösen Angriff auf die Grundfesten der Mathematik.
Am 13. April 2012 um 11:34 Uhr
> Mir ist jetzt allerdings rätselhaft, warum
> dieser Post heute beim Bildblog verlinkt ist.
> Nur weil FAS und TAZ drin vorkommt?
@Petra: Lies mal zwischen den Zeilen. Grass? Gedicht? Anything?
Am 13. April 2012 um 12:30 Uhr
Und was soll mir das jetzt sagen?
Das der Betreiber dieses Blogs zu feige ist, einmal „64“ auszusprechen, nur weil er pc sein will?
Was hat das mit Grass zu tun? NICHTS.
Erbärmlich und lächerlich, so schafft sich das Internet wirklich selbst ab.
Am 13. April 2012 um 14:12 Uhr
Das Internet schafft sich vor allem ab wegen solcher Leute, die ständig behaupten, das Internet schaffe sich ab, weil sie irgendetwas nicht verstanden haben.
Weil die Seitenzahl oben so prominent hervorgehoben wurde, gehe ich mal frech davon aus, dass auf Seite 20 das berühmte Interview stand. Wenn man dann etwas zwischen den Zeilen liest und noch drei Ecken weiter denkt, ist das obige der mit Abstand beste Kommentar zu dieser ganzen Grass-Sache.
Am 13. April 2012 um 16:34 Uhr
Deutschland schafft sich ab? Schön wär’s! Das Internet schafft sich ab? Schön wär’s nicht.
Am 13. April 2012 um 16:56 Uhr
unglaublich was die diskussion hier für wendungen nimmt. können wir bitte mal aufs thema zurück kommen: wie viel ist denn nun 7 mal 9?
Am 13. April 2012 um 16:59 Uhr
Mir kommt es leider so vor, als ob die Axiome der Mathematik von der israelischen Regierung ständig neu aufgestellt werden.
Grass behauptet 62, die israelische Regierung 46, der Mann im Zug 64, die Frau dachte 97. Da keiner so genau weiß, was gerade richtig ist, hält man lieber den Mund bis Broder die richtige Zahl vorgibt.
Am 13. April 2012 um 17:07 Uhr
@werner: soll das irgendwie kritisch gemeint sein? es ist jedenfalls keine antwort auf meine frage
Am 13. April 2012 um 17:42 Uhr
@Karambolage Ich traue mir keine Antwort zu geben. Der obige Text von Paco zeigt deutlich, das „Nichttrauen“ der Bevölkerung mit diesem Thema. Es könnte ja falsch sein. Herr Broder kennt die gerade aktuellen Axiome der israelischen Regierung. Dann kenne ich das Ergebnis von 7 mal 9 auch.
Am 13. April 2012 um 17:48 Uhr
@werner: du scheinst ja sehr viel von diesem herrn broder zu halten, ich finde auch er schreibt ganz interessant, aber auch er kann sich mal irren wie wir alle.
Am 13. April 2012 um 18:03 Uhr
Wir brauchen eine neue Kultur des Antwortens – wann, wem, wieviel? Herrn Grass lieber gar nicht, man hätte ihn abtropfen und einfach nicht beachten sollen. Dem Vater im Zug – hier hat sich unser Autor vorbildlich verhalten, wie der Beitrag von Petra unterstreicht. Und hier sind es ´nun auch schon viel zu viele Antworten die zeigen, dass wir zu viel antworten, ich auch.
Am 13. April 2012 um 18:37 Uhr
lesbarkeit hat Recht. Vorallem weil es in dem Text oben um ganz was anderes geht, nämlich um die abenteurlichen Reisen eines Schoko-Osterhasen und nicht um diesen ganzen Sermon, den viele hier peinlicher Weise verbreiten. Lernt lesen, leute.
Am 14. April 2012 um 00:00 Uhr
Solange es dort so höfliche Leute gibt wie Sie, mache ich mir um das Internet keine Sorgen.
Am 14. April 2012 um 01:14 Uhr
Die Kommentare sollte sich wirklich auf die eigentlichen Fragen beschränken. Sonst kommen immer wieder Besserwisser, die sagen, wie es richtig ist.
Also:
Um den Schock des kleinen Jungen, darüber, dass sein Vater nicht immer Recht hat, zu mindern, bedarf es eben etwas mehr eigenen Einsatz. Das heisst, da muss man halt seinen Schokoosterhasen opfern, um ihn zu trösten!
Und zu 7 x 9: Jeder Erstklässler, der rechnen kann, weiß:
7 = 8 – 1 und 9 = 8 + 1.
Und wer ein klein wenig Ahnung von Mathematik hat, kennt seine binomischen Formel und weiß:
7 x 9 = (8-1) x (8+1) = 8 x 8 – 1 x 1 = 8 x 8 – 1.
Wenn die Antwort auf die Frage „8 mal 8“ 62 ist, weiß man, dass die Antwort auf „7 mal 9“ 61 ist. Da muss man gar nicht weiter zuhören. q.e.d.
Ich versteh nicht, wie einem so etwas nicht klar sein kann.
Am 14. April 2012 um 06:12 Uhr
62=64 ist nicht in allen Körpern falsch.
Am 14. April 2012 um 10:46 Uhr
Lies mal genauer, denk mal nach. Na toll, anscheinend fehlen hier manchen (mich eingeschlossen) die Kontexte. Ob es nun hilft, 20 zu googeln? Oder 64? Oder könnte vielleicht jemand das Ding entschlüsseln bzw. einen echten Tipp geben?
Am 14. April 2012 um 20:30 Uhr
Einmal abgesehen von der Tatsache, dass ein sehr großer Teil derjenigen, die sich jetzt zu Wort melden, glaubt, Israel wäre ein friedliebender Staat – so meint es ja Reich-Ranicki auch – und das es ja kein Problem sei, wenn dieser Staat Atomwaffen besitzt, wohl aber, wenn jemand ein Gedicht schreibt (das in Wahrheit natürlich ein politisches Pamphlet ist).
Aber was hat der erste Abschnitt dieses Beitrages mit der folgenden Geschichte zu tun? Besser wäre gewesen, den ersten Abschnitt wegzulassen, denn was danach kommt, steht für sich und ist allemal interessant genug.
Am 15. April 2012 um 09:38 Uhr
Lieber Paco,
ich habe eine Frage.
Der ICE ist einer der schnellsten Züge weltweit. Der Zusatz ‚weltweit‘ ist nicht so wichtig, weil es um die Strecke von Dresden nach Leipzig geht. Aber es ist auch nicht unwichtig, da der Zug ja nicht langsamer fährt, nur weil es eine innerdeutsche Strecke ist und keine kontinentale oder interkontinentale. Diese Strecke ist laut google maps 113 km lang, von Bahnhof zu Bahnhof. 113 liegt zwischen 8 mal 13 und 10 mal 11, ungefähr. Du bist also mit einem der weltweit schnellsten Züge zwischen Dresden und Leipzig unterwegs und brauchst für eine Strecke, die zwischen 8 mal 13 und 10 mal 11 Kilometern liegt etwa eine Stunde und 30 Minuten. Das habe ich mir zusammengereimt, weil du nach der Lektüre eines Artikels, nach dem Gespräch zwischen Vater und Sohn, den Berechnungen des Vaters und deinen eigenen, die ja auch, unter Einbeziehung einer heute recht verbreiteten Dyskalkulie eine gewisse Zeit in Anspruch genommen haben werden, nach alldem bist du noch etwa eine Stunde gefahren. 113 Kilometer durch neunzig Minuten sind 1,25 Kilometer pro Minute, in der Sekunde sind das 20,83 Meter. Ein guter Hundertmeterläufer ist fast doppelt so schnell wie einer dieser weltweit schnellsten ICE‘s.
Wenn du, statt des einen schnellen Zuges, vielleicht zwei oder drei langsamere nähmest (Konjunktiv: der ist ja auch ein wenig langsamer als der Indikativ, der sich immer schon am Ziel wähnt), wenn du Teilstrecken mit diesem und jenem Regionalzug oder gleichzeitig mehrere Züge nähmest, deren Geschwindigkeit sich dann ganz anders addieren ließe – sagen wir vier mal vier Züge, das wären dann grob geschätzt irgendetwas zwischen siebenundsechzig und achtundachtzig – dann haben wir einen ganz anderen Wert, sowohl was die Kilometer angeht als auch die investierte Zeit, die man ja, addierend, subtrahierend, dividierend oder multiplizierend, miteinander in ein Verhältnis bringen muss, um dann am Ende der Reise einen klaren Wert zu erhalten, sagen wir, wenn sich die Reise gelohnt haben soll, mindestens um 300. Wobei man dann natürlich auch noch die Dauer des Aufenthalts einbeziehen muss, ich tendiere da zu einem Wert von 2,25 pro Tag und Person, was sich auf 3,3 erhöht, wenn eine Übernachtung hinzukommt, an Sonnentagen wird auf- an Regentagen abgerundet. Und: müsste die Hinreise nicht schneller als die Rückreise sein, nicht etwas wegen des Rückenwindes, sondern wegen der Corioliskraft? Oder war‘s wegen der Lichtgeschwindigkeit? Und warum bist du nicht mit dem TGV oder dem Shinkansen gefahren?
Also die Frage vom Anfang meiner Überlegungen lautet: was wolltest du eigentlich in Dresden?
Aléa
Am 15. April 2012 um 10:14 Uhr
Endlich verstehe ich nur auch Kaminers Geschichte von seiner Oma und dem Hausarbeiten-Problem seines Sohnes: wieviel Ecken hat eine vierflächige Pyramide? Der Rest der Familie rät auch noch mit.
Ergebnisse laut Kaminers Tatsachenbericht im Büchlein „Meine kaukasische Schwiegermutter“ = 8, 12, 16 Ecken!
…was stimmt nun? …und wie kommen die Familienangehörigen auf diese Zahlen?
@Norbert, bitte bitte auch dieses Problem lösen! Broder frag ich auf keine Fall, für den sind Pyramiden ja Erzeugnisse von pösen Antisemiten.
Am 15. April 2012 um 12:38 Uhr
Liebe Frau Torik, laut http://www.Bahn.de benötigt ein ICE zwischen Dresden und Leipzsch bis zu 1:16 Std. (Direktverbindung). Es scheint rechnerisch also aufzugehen. Ein Interview zu lesen braucht 5 Minuten, dem Papi eine Frage stellen und darauf eine falsche Antwort kriegen 10 Sekunden. Plus eine Stunde, da ist dann sogar noch Luft nach oben. Ihre Bedenken sind unbegründet, Ihre weiteren Rechnungen habe ich nicht verstanden, geht das anderen auch so?
Am 15. April 2012 um 17:46 Uhr
@ Jeeves: 4, http://de.wikipedia.org/wiki/Tetraeder …
@ Norbert: und „4“ kann vielleicht der entscheidende Ansatz sein, um die eigentlichen Fragen bei der Betrachtung der Geschichte zu finden: http://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell
@ Jeeves: … und für Laien ist 5 wohl auch OK. Aber um zu wissen, warum die Familienmitgleider etwas anders sagen, kenn ich die Geschichte zu wenig.
Am 17. April 2012 um 19:31 Uhr
Als ich letzte Woche von Dresden nach Berlin mit dem Zug wollte, ist mir im Bus zum Dresdener Bahnhof ein Kind mit einem Bilderbuch aufgefallen. Das Kind wollte Quadrate von 8 cm^2 ausmalen. Der Vater erklärte dem Kind, daß du ja nicht alles ausmalen musst, da ja die Umrandungen schon gezeichnet sind. Der Vater nahm ein Lineal zur Hilfe und erklärte: „Statt den 8 cm^2 musst du nur noch 7,75 cm^2 ausmalen.“ Das Kind lachte und sagte: „Bei zwei Quadraten muss ich also nur 15,5 cm^2 ausmalen.“ „Ja“, lachte der Vater und stiegen aus dem Bus und gingen zum Bahnhof.
Am 17. April 2012 um 23:27 Uhr
Als ich das letzte Mal in Dresden war und da wieder weg wollte, nachdem man mir einen Salat mit Zucker serviert hatte, blieb der Zug auf dem Heimweg für mehrere Stunden in Orlamünde stehen. Irgendwann war im Bordrestaurant das Bier aus. Wir mussten beim Pizzaservice anrufen und Nachschub bestellen, so schlimm war das.
Am 18. April 2012 um 00:42 Uhr
@Dresden, die Horrorshow Im Bordrestaurant waren 8 Leute und jeder trank 8 Flaschen Bier. Jede Bierflasche hatte eine maximale Füllmenge (bis zum Flaschenhalsrand aufgefüllt) von einem Liter. Da aber die Flaschen nie bis zum oberen Rand aufgefüllt sind, wollte das Kind wissen, wieviel Liter die Männer denn zusammen getrunken hatten. Der Vater rechnete also: Acht Männer mal acht Flaschen Bier sind 62 (Liter) Bier.
Der Pizza-Service lieferte dann 63 neue Flaschen Bier derselben Sorte. Da ein Mann kotzen musste und nur noch sieben übrig blieben, fragte das Kind: Wieviel ist 7 * 9?
Am 29. Juni 2012 um 12:02 Uhr
Iwie finde ich das schon erstaunlich, dass nach diesem Artikel hier gleich soo eine Wahnsinnsdiskussion gewesen war.