Post von Philip Roth

Berlin, 2. Juli 2012, 20:59 | von Josik

Im Jahr 2009 wurde Reich-Ranicki in der Kolumne »Fragen Sie Reich-Ranicki« von Unterschrift unlesbar suggestivgefragt, warum Philip Roth den Nobelpreis bekommen sollte. Im Prinzip die gleiche Frage war Reich-Ranicki aber auch schon 2007 gestellt worden, und als die mehr oder weniger gleiche Frage ihm auch 2008 gestellt wurde, antwortete Reich-Ranicki völlig zu Recht: »Bitte, lassen Sie mich in Ruhe.«

Nun hat Philip Roth den Nobelpreis noch immer nicht erhalten, man sollte aber natürlich gewappnet und informiert sein. Deshalb: Philip-Roth-Hagiografen, aufgepasst! In der Juniausgabe des »Atlantic« ist auf Seite 14 folgender Leserbrief von Philip Roth abgedruckt:

»Joseph O’Neill ist in seinem Artikel über mein Werk ein unglück­licher biografischer Irrtum unterlaufen. Er schreibt, ich hätte einen Nervenzusammenbruch gehabt. Diese Aussage ist nicht zutreffend, und mein Lebensweg gibt rein gar nichts her, was diese Aussage stützen könnte.

Nach einer Knie-OP im März 1987, als ich 54 Jahre alt war, bekam ich das Schlafmittel Halcion verschrieben, ein hypnotisches Sedativ aus der Medikamentengruppe der Bendzkodiazepine, das eine ganze Reihe von Nebenwirkungen lähmender Art hervorrufen kann. Man spricht bisweilen auch von der »Halcion-Durchgeknalltheit«. Zu der Zeit, als mir von meinem Orthopäden dieses Medikament für die Nachbehandlung verschrieben wurde, war es in Holland, Deutschland und anderswo aufgrund seiner extremen Nebenwir­kungen, die bis hin zu Selbstmord gehen konnten, bereits vom Markt genommen worden.

Die Nebenwirkung, wie ich selbst sie verspürte, entsprach exakt jener, wie sie klinisch eindeutig definiert und in der medizinischen Literatur erschöpfend dokumentiert ist, sie begann, als ich das Mittel zu nehmen anfing, und sie endete abrupt, als ich es, mit hilfreicher Unterstützung meines Hausarztes, absetzte.

In einem Aufmacher der New York Times aus dem Januar 1992 wurde unter der Überschrift ›Schlaftablettenhersteller vertuschten Daten über die Nebenwirkungen‹ Halcion als ›gefährlicher denn sonstige Schlafmittel‹ bezeichnet und – genau so habe ich es in den drei Monaten erlebt, in denen ich, mir nichts weiter dabei denkend, dieses Mittel einnahm – als ›eher dazu angetan, Symptome wie Amnesie, Paranoia, Depression und Halluzinationen zu verursachen‹.

Philip Roth
New York, N. Y.«

Revenge is sweet, dachten sich da aber die »Atlantic«-Macher. Wenn man nämlich den Leserbrief gelesen hat und dann genau zweimal umblättert, springt einen im Fettdruck das folgende Barack-Obama-Zitat aus einem »Rolling Stone«-Interview an:

»The New Yorker and The Atlantic still do terrific work.«

 

2 Reaktionen zu “Post von Philip Roth”

  1. Klaus

    Was hat der Roth’sche Leserbrief (wer hat den übrigens übersetzt? Er wird ja wohl in Englisch geschrieben haben?) damit zu tun, dass im gleichen Heft nach zweimal umblättern auch noch was anderes steht? Nach dreimal umblättern steht da sicher auch noch was ganz anderes, und nach bereits einmal ebenfalls… Was ist daran „Revenge“? an wem? wieso? Und was hat das Rolling Stone Zitat eines Obama-Satzes mit Philip Roth zu tun?
    Oder anders: ich versteh‘ den „Witz“ nicht.

  2. mjh

    Da gibt’s auch keinen Witz. The Atlantic veröffentlicht einen Artikel des Schriftstellers Joseph O’Neill über autobiographische Elemente im Werk von Philip Roth, und daraufhin stellt Roth in einem Leserbrief (noch nicht einmal einer Gegendarstellung) eine kleine Ungenauigkeit in diesem Artikel klar – ganz sachlich und unaufgeregt, aber wohl in dem Wissen geschrieben, dass sich Falschmeldungen leicht verbreiten, wenn man sie nicht sofort richtig stellt (und manchmal selbst dann). Warum sollte The Atlantic sich deshalb an ihm „rächen“ wollen? Und inwiefern wäre es eine Rache, wenn sie irgendwo anders in derselben Ausgabe ein Obama-Zitat herausstreichen, in dem The Atlantic gelobt wird? Wer sagt denn überhaupt, dass Philip Roth Obamas Aussage nicht beipflichten würde?

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