100-Seiten-Bücher – Teil 40
Erasmus von Rotterdam: »Lob der Torheit« (1511)
Basel, 19. Oktober 2012, 15:19 | von Baumanski
Die Basler Buchhandlung, in der ich Erasmus’ bekanntestes Werk erstehe, ist keine fünfhundert Meter von seinem Todeshaus an der Bäumleingasse entfernt. Sieben Franken kostet die Reclam-Ausgabe und seltsamerweise ist sie im Regal unter R statt unter E eingeordnet, wobei V ja noch eine weitere Möglichkeit gewesen wäre, hehe.
Sie wisse sehr gut, »in welch schlechtem Ruf die Torheit sogar bei den ärgsten Dummköpfen steht«, sagt die Torheit und beginnt dann ihr Selbstlob. Es folgt exzessives Klassik-Namedropping – Glaukon! Momus! Priap! Chrysippus! – über gut hundert Seiten. Auch (wie hiess er noch mal?) Christus wird zwei, dreimal erwähnt, aber deutlich mehr Platz räumt Erasmus seinen Tiraden gegen Priester und Kirche (und Theologen, und Philosophen, und Kaufleute, und!) ein. Kein Wunder, dass Herder dem trotz allem katholisch Gebliebenen Wankelmut vorgeworfen hat. Unbestritten sind dagegen Erasmus’ rhetorisches Talent, sein Ideenreichtum und seine unglaubliche Detailkenntnis der antiken Literatur.
Geschrieben hat Erasmus seine Satire während eines Besuchs bei seinem englischen Freund Thomas Morus, dem er das Werk auch gewidmet hat. Überhaupt ist Erasmus viel herumgekommen, war in Paris, war in Turin, war in Venedig, und gestorben ist er wie gesagt in Basel, aber immerhin an der hübschen Bäumleingasse, ziemlich weit weg vom heutigen Erasmusplatz, der damals wohl gerade noch ausserhalb der Stadtmauern gewesen wäre, heute aber gleich neben den wenigen Bars liegt, die erst um sechs Uhr morgens schliessen.
Erasmus von Rotterdam: Lob der Narrheit. In der Übers. von Lothar Schmidt und mit Federzeichn. von Gabriele Mucchi. Leipzig: Faber & Faber 2005.
Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Übers. von Anton J. Gail. Ditzingen: Reclam 2012.
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)
Am 26. Oktober 2012 um 14:14 Uhr
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