Der Mann ohne Abnehmer

Berlin, 15. Februar 2013, 19:15 | von Paco

Zuerst dachte ich, das war ein Scherz. Im Hauseingang, auf dem Boden unter dem Klingelbrett, waren acht Bücher gestapelt, darunter ein André-Müller-Interviewband, »Corneille · Théâtre complet · Tome II« und der »Mann ohne Eigenschaften« (Rowohlt, gelbes Leinen). Und zwar hatte Josik bekanntlich große Teile seiner Privatbibliothek verkauft und zuletzt auch großzügig Sachen verschenkt. Aber dass er hier jetzt Musil zum Mitnehmen in den Hauseingang legt –

Hat er aber gar nicht, wie sich im vierten Stock herausstellte. Ich war kurz auf Besuch, weil wir abends noch ins Kino gehen wollten. Und die Bände mussten »von den Bildungsbürgern aus dem ersten Stock« stammen, soweit die Vermutung. Als wir nach einer Weile das Haus verließen, hatte sich der Stapel wie von Zauberhand dezimiert, die Hälfte der Bände war weg, André Müller zack, Pierre Corneille zack. Musils Mann lag immer noch da.

Als wir dann aus »Hannah Arendt« kamen, schlenderten wir von Kreuzberg zurück nach Schöneberg und noch mal bei Josik vorbei. Schon aus der Ferne blinkte uns von der Eingangstür her ein gelbes Objekt entgegen. Alle anderen Bände hatten dankbare Abnehmer gefunden, nur der »Mann ohne Eigenschaften« lag immer noch da! Acht Bücher minus sieben ergibt einmal »Mann ohne Eigenschaften«. Das ist ganz sicher als Niederlage für Musil zu werten, als Niederlage im freien Wettkampf um Leserschaft. Aber, und das sollte man noch mit bedenken, es war ein ziemlich ramponiertes Exemplar.
 

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