Die große Ulla-Berkéwicz-Festwoche (Tag 1):
»Josef stirbt« (1982)
Berlin, 8. April 2013, 09:55 | von Josik
(= 100-Seiten-Bücher – Teil 55)
(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)
Am 4. September 1982 erscheint Ulla Berkéwiczs Debut »Josef stirbt«. Danach geht es Schlag auf Schlag. Drei Tage nachdem der Bundestag für Helmut Kohl als Bundeskanzler gemisstrauensvotet hat, taucht der Name Ulla Berkéwicz zum ersten Mal im »Spiegel« auf – ihr literarischer Einstand wird über vier riesenlange Spalten hinweg in einer einzigartigen und unvergleichlichen Jubelarie abgefeiert. Natürlich zu Recht, denn wenn man die Erzählung »Josef stirbt« heute noch einmal zur Hand nimmt, ist man einfach baff, wie frisch, wie unverbraucht, wie zeitlos der damalige Jugendslang auch heute noch klingt. So sagt die Ich-Erzählerin einmal: »Ich ziehe mir am Automaten drei Nuts« (S. 20). Sich ganze drei Nuts auf einmal zu ziehen, was ist da los! Darüber hinaus sind dann auch noch zwei kleine literaturhistorische Scherze in den Text eingebaut, es tauchen nämlich »der blonde Sohn, der Egbert« (S. 25) sowie »der blonde Sohn, der Egbert« (S. 114) auf.
Die Titelfigur in »Josef stirbt« war bis ins sehr hohe Alter hinein von recht robuster Konstitution, denn erst »mit 88«, so erfahren wir, »kam der erste Schnupfen« (S. 13). Darüber hätte Friedrich Theodor Vischer, der sogenannte V-Fischer, wahrscheinlich eine Hohnlache aufgeschlagen, hatte er doch seit jeher mit dem Schnupfen zu kämpfen und sich in seiner 600-seitigen Novelle »Auch Einer«, die quasi ausschließlich vom Schnupfen handelt, darüber beschwert, dass, wer Schnupfen hat, trotzdem nicht als berechtigt gilt, krank zu sein. Ein Happy End gibt es in Ulla Berkéwiczs Debut natürlich nicht, und spoilern kann man hier schlechterdings auch nichts, wenn man verrät, worauf’s dann halt doch irgendwann hinausläuft: wenig überraschend, stirbt Josef.