Die große Ulla-Berkéwicz-Festwoche (Tag 7):
Ausblicke

Berlin, 14. April 2013, 12:45 | von Josik

Logo der Festwoche

(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)

Mit dem Hinweis auf zwei weitere Hundertseiter aus der Feder von Ulla Berkéwicz geht die große Ulla-Berkéwicz-Festwoche heute leider schon zu Ende. Eine ungewöhnliche Autorin galt es wiederzuentdecken – wenngleich unsere Schuldigkeit noch nicht ganz getan ist. Literaturhistorisch bedeutsam ist es nämlich, dass in dem Buch »Vielleicht werden wir ja verrückt« (2002) auf Seite 51 die Wendung »Hanauer Gefühle« auftaucht. Der Satz ist zu herzzerreißend, um ihn nicht in voller Länge zu zitieren:

»Ich war fünfzehn, Weltschmerz und Verachtung tobten mir gleich stark in der Brust, die Hanauer Gefühle schnürten mir den Hals ab, ich hörte ›Insch allah‹ und ›Hava Nagila‹ aus der Milchbar-Jukebox und schrieb meine Gedichte, Elegien, Klagen, Anklagen und Verweigerungstraktate.« (S. 50f.)

Es scheint dies schon eine subtile Vorausdeutung auf den Essay »Hanauer Gefühle« zu sein. Das Cover und der Vorschautext für »Hanauer Gefühle« geistern noch immer durchs Internet. Ein »eigensinnig schöner Essay« wird uns da schmackhaft gemacht, in dem zu lesen steht, wie ein hessisches Mädchen in seiner Jugend mit seinen Idealen gegen Wände läuft und sich dennoch sagt: Eine andere Welt ist möglich – vielleicht eine Welt außerhalb Hessens.

Leider aber ist dieser Essay »Hanauer Gefühle« nie erschienen. Nach Angaben der Deutschen Nationalbibliothek hätte er die klassische Hundertseiterlänge von 90 Seiten umfassen und im Jahr 2003 erscheinen sollen. Wer sich nicht auszumalen wagt, welch unersetzlichen Verlust für die deutschsprachige Literatur es bedeuten würde, wenn dieses Werk auch fürderhin in der Schublade liegen bleibt, der kann nur hoffen, dass hier bald noch ein weiterer Schatz zu heben ist. Wer auf der Verlagshomepage nach »Hanauer Gefühle« sucht, erhält die lakonische Auskunft: »Ihre Suche nach ›Hanauer Gefühle‹ ergab kein Ergebnis«.

Andere Ulla-Berkéwicz-Werke hingegen kann man direkt auf www.suhrkamp.de bestellen: »Michel, sag ich« etwa schon für EUR 1,45 oder »Adam« für EUR 2,45, zzgl. EUR 3,00 Versandkosten. Bei einem Warenbestellwert über EUR 20,00 werden einem die Versandkosten erlassen. Man kann sich jedes Buch bei Suhrkamp auch als Geschenk verpacken lassen (»Für die Geschenkverpackung fallen pro Artikel 2,00 Euro an«). Es gibt für diese Geschenkverpackung zwei Muster, Muster 2 finde ich schöner als Muster 1.

Etwas mehr Glück haben wir da mit dem allerneuesten Ulla-Berkéwicz-Buch: »Reine Erfindung«, abermals ein klassischer Hundertseiter, diesmal 80 Seiten lang. Laut Vorschautext wirft dieses Buch die Frage auf, ob es schon Endzeit oder erst Angst und Ahnung sei, wenn der katholische Priester sich im Gebälk des Glockenturms erhängt und der muslimische Schlachter das Messer an die eigene Kehle setzt.

Noch Anfang Februar d. J. war auf der Verlagshomepage als Erscheinungstermin wohl nicht zufällig Balzacs Geburtstag, der 20. Mai, angekündigt. Inzwischen wurde, aus noch ungeklärter Ursache, der Termin auf den 11. November, Dostojewskis Geburtstag, verschoben. Uns bleibt vorerst nur die Hoffnung, mit der Würdigung dieses Hundertseiters, dessen Erscheinungstermin nicht ein weiteres Mal zu verschieben wir Gott bitten, uns auch um die nächste Ulla-Berkéwicz-Renaissance verdient machen zu können.
 

Einen Kommentar schreiben